Prozessauftakt

Strache vor Gericht: "Ich bin ein Bargeld-Fetischist"

Strache steht seit Dienstag vor Gericht.
Strache steht seit Dienstag vor Gericht.imago images/SEPA.Media
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Der frühere Vizekanzler soll einem befreundeten Klinik-Betreiber zu einem günstigen Gesetz verholfen haben. Beide bestreiten die Vorwürfe. Die „Presse“ berichtete aus dem Straflandesgericht.

Von „Kindermädchen“, „Häferl“ und „Bargeld-Fetischisten“ war am ersten Tag im Prozess gegen den früheren FPÖ-Bundesparteichef Heinz-Christian Strache und den Betreiber der Privatklinik Währing, Walter Grubmüller, mehrfach die Rede. Verwunderung herrschte ebenfalls – nicht nur bei den beiden wegen Bestechlichkeit und Bestechung Angeklagten, sondern auch bei Richterin Claudia Moravec-Loidolt – darüber etwa, wie Chatnachrichten nun wirklich zu verstehen seien.

Der Reihe nach: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, konkret Oberstaatsanwältin Silvia Thaller, hält Strache vor, sich über die Maßen für die Aufnahme der Privatklinik Währing in den Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds, kurz Prikraf, stark gemacht zu haben, um Leistungen der Einrichtung direkt mit den Sozialversicherungen verrechnen zu können – zuerst als Oppositionspolitiker, dann als Vizekanzler. So habe es im Frühjahr und Sommer 2017 erst einen blauen Initiativantrag, dann eine Pressekonferenz samt Aussendung zum Thema gegeben. Im Dezember sei die FPÖ schließlich in Regierungsverantwortung gekommen, Ende 2018 eine Gesetzesänderung zugunsten der Privatklinik erfolgt – einschließlich einer Erhöhung des Fonds. Grubmüller habe sich revanchiert, der FPÖ schon im August 2017 10.000 Euro gespendet und Strache und dessen Frau im Mai 2018 nach Korfu sowie auf den Rückflug von dort eingeladen. Das sei „kein Kavaliersdelikt, keine zu vernachlässigende Form von Freunderlwirtschaft“, sah Thaller am Dienstag „die vom Strafrecht gezogenen Grenzen überschritten".

Stimmt nicht, konterten die beiden Angeklagten, die unisono auf „nicht schuldig“ plädierten. Zum ersten sei Strache 2018 gar nicht auf Korfu gewesen, sondern 2016. Den Rückflug habe er zwar tatsächlich zusammen mit Grubmüller im gecharterten Privatjet absolviert, diesen aber selbst bezahlt. Grubmüller: „Er hätte nie etwas von mir genommen; er hatte immer die Compliance-Regeln im Hintergrund.“

„Hätte mir das Gesetz schon vor Jahren kaufen können“

Zum zweiten seien die 10.000 Euro eine Spende „aus Überzeugung“ gewesen – und auch im Rechnungshofbericht transparent gemacht worden. Denn, so Grubmüller: Er sei von der SPÖ, deren Mitglied er war, enttäuscht gewesen und habe sich deshalb der FPÖ zugewandt. Das blaue Programm unterschreibe er zwar nicht zur Gänze, die freiheitliche Forderung nach der Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft in der Wirtschaftskammer aber sehr wohl. Immerhin habe er mit dieser lange um die Aufnahme in den Prikraf gerungen. Der nötige Zusatzvertrag sei ihm verweigert worden. „Eine sachliche Begründung dafür hat es nicht gegeben", kritisierte er mehrfach. Daher habe er es sich auf die Fahnen geheftet, die dort herrschende Korruption aufzuzeigen: „Der Vorwurf des Gesetzeskaufes ist lächerlich. Ich hätte mir das Gesetz schon vor zehn Jahren kaufen können.“

Strache gab zu Protokoll, dass er Grubmüller schon lange „freundschaftlich verbunden“ sei. Zeitweise agiere er „zu einem gewissen Grad als sein Kindermächen, auch wenn er der Ältere ist“, verriet er. Denn: Grubmüller sei sehr impulsiv, „ein Häferl“, wie man in Wien sage. Er habe ihn daher – auch in Chatnachrichten – immer wieder ermahnt, doch besser „still und leise“ zu sein. Irgendwann, so Strache weiter, habe Grubmüller ihm von seinem Ärger über den Prikraf erzählt, von Gutachten, die er hätte. Zuerst sei ihm das beim einen Ohr „rein und wieder raus gegangen“, meint der Ex-Politiker lapidar. Dann habe er sich doch entschlossen, Grubmüllers Anliegen von Juristen aus der FPÖ prüfen zu lassen. Diese seien zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich tatsächlich um „einen Missstand“, handele – daher habe man sich fortan dafür eingesetzt, den Fonds für alle Privatkliniken zu öffnen. Unter Türkis-Blau wurde dann tatsächlich per Regierungsvorschlag ein Gesetz umgesetzt, das dem ursprünglichen FPÖ-Antrag entsprach.

Dass es sich dabei um einen Gesetzeskauf gehandelt habe, bestritt Strache, der sich selbst als „Bargeld-Fetischisten“ outete, vehement. Er sei in der Agenda nur Vermittler gewesen, habe sich mit der Materie aber nicht tiefgründig befasst. Die Partei sei nie von Spenden anhängig gewesen, er selbst immer darauf geachtet – auch unter Freunden – eine strenge Rechnung zu haben.

Morgen, Mittwoch, wird der Prozess um 10 Uhr fortgesetzt. Als Zeugen geladen sind Julian H., Mitbegründer der PremiQaMed Group, die mehrere Privatkliniken betreibt, die vom Prikraf profitieren. Weiters auf der Liste stehen der freiheitliche Vize-Präsident der Wirtschaftskammer Österreich, Matthias Krenn, und eine FPÖ-Buchhalterin. Am Donnerstag sollen Ex-Sozialministerin Beate Hartinger-Klein, Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch, der Abgeordnete Fritz Simhandl (alle FPÖ) und der frühere Kabinettschef von Hartinger-Klein und Strache einvernommen werden. Ein Urteil könnte am Freitag verkündet werden. Im Falle von Schuldsprüchen drohen zwischen sechs Monaten und fünf Jahren Haft.

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