Terrorismus

Großprozess gegen mutmaßliche IS-Terroristen in Wien startet

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THEMENBILD: GROSSER SCHWURGERICHTSSAAL IM WIENER LANDESGERICHTHELMUT FOHRINGER / APA / picture
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Der Hauptangeklagte - ein Tschetschene, der in Syrien Erschießungen angeordnet und Köpfe abgeschnitten haben soll - ist zur Verhandlung erschienen.

Mit 45-minütiger Verspätung - die Geschworenen waren ohne konkrete Uhrzeit geladen worden - hat am Mittwoch am Wiener Landesgericht ein Prozess gegen fünf Angeklagte begonnen, die sich für die radikalislamistische Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS) betätigt haben sollen. Um den Hauptangeklagten Turpal I. gab es zuletzt Schlagzeilen, weil er nach Ablauf der auf zwei Jahre begrenzten U-Haft Anfang Mai enthaftet werden musste. Er erschien auf freiem Fuß zur Verhandlung.

Der 32-Jährige wird vom Verfassungsschutz rund um die Uhr überwacht. Der gebürtige Tschetschene soll mit seiner mitangeklagten, um drei Jahre jüngeren Ehefrau und einer gemeinsamen Tochter Ende August 2013 über die Türkei nach Syrien gereist sein und unter dem Kampfnamen Abu Aische im Bürgerkrieg für den IS gegen das Assad-Regime gekämpft haben. In der nordsyrischen Stadt Hraytan soll Turpal I. die Erschießung von Bewohnern eines Hochhauses sowie drei als Sklavinnen gefangen genommener Frauen angeordnet haben, in einer Kleinstadt nördlich von Aleppo soll er laut Anklage zumindest sieben Schiiten mit Messern die Köpfe abschneiden haben lassen.

Sein Verteidiger hat das bisher zurückgewiesen. Turpal I. habe sich zwar in Syrien aufgehalten, sei aber an keinen terroristischen Straftaten beteiligt gewesen, betonte Kreiner zuletzt.

Hohe Sicherheitsmaßnahmen

Die bis Ende Juli anberaumte Verhandlung wird unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen abgewickelt. Zuhörer wurden zwei Mal - zum einen beim Betreten des Gerichts, ein zweites Mal in Form einer mobilen Sicherheitsschleuse vor dem Großen Schwurgerichtssaal - kontrolliert, zehn bewaffnete und maskierte Spezialkräfte der Justizwache postierten sich im Saal, in dem ein absolutes Fotografier- und Filmverbot gilt, mehrere Beamte vom Verfassungsschutz sind für das Verfahren abgestellt.

Rekrutierer und Kämpfer

Mitangeklagt ist in dem Verfahren der radikalislamistische "Hassprediger" Mirsad O. alias Ebu Tejma, der 2016 in Graz - mittlerweile rechtskräftig - zu 20 Jahren Haft verurteilt wurde. Er soll junge Tschetschenen, darunter auch Turpal I., der 2004 als Flüchtling nach Österreich gekommen war, für den IS rekrutiert haben. Der Kampfsportler - Turpal I. war österreichischer Meister im Taekwondo - ging schließlich nach Syrien, wo er sich einer Kampftruppe der Terror-Miliz angeschlossen und Gräueltaten begangen haben soll.

Zur Anklage gebracht wurden auch ein 32-jähriger, zum Islam konvertierter Steirer, der sich laut Anklage 2013 in Syrien vom IS zum Kämpfer ausbilden ließ, und dessen Ehefrau. Die Eltern von Turpal I., die Staatsanwalt Johannes Winklhofer ebenfalls wegen terroristischer Vereinigung angeklagt hatte, blieben dem Prozess fern. Hinsichtlich der Mutter beantragte Winlkhofer eine Festnahmeanordnung und die Erlassung eines Europäischen Haftbefehls.

In einem mehrstündigen Eröffnungsvortrag legte Winklhofer seine Anklage dar, deren schriftliche Ausfertigung 200 Seiten umfasst. Es gehe "um radikalislamistische Umtriebe, nicht um Religion", betonte der Staatsanwalt. Turpal I. sei "ein sehr, sehr erfolgreicher Kampfsportler" gewesen und habe sich infolgedessen für die junge tschetschenische Community als Identitätsfigur geeignet. Mirsad O. habe bei IS-Sympathisanten mit Turpal I. geworben. Der Staatsanwalt billigte Mirsad O. zu, ein "brillanter Rhetoriker" zu sein, der "geschickt" zu argumentieren verstehe.

In Syrien habe sich Turpal I. Kampfeinheiten angeschlossen, die "Massenmord" zu verantworten und "Hinrichtungen" unter Zivilisten durchgeführt habe, legte Winklhofer dar. Die Zivilisten wären nach Geschlechtern separiert, Männer enthauptet, Frauen erstochen worden.

(APA)

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