Buch

Das Gedächtnis des Schmerzes: „Nacht ohne Sterne“

Paula McLain
Paula McLain(c) Tom Persinger
  • Drucken

Thriller, Coming-of-Age, Familienaufstellung: Paula McLain erzählt eine aufwühlende Geschichte über Kinder, die keiner will, Mütter, die viel falsch machen und Väter, von denen man sich besser fern hält.

Am Anfang von „Nacht ohne Sterne“ weiß man nicht genau, welcher Person was passiert ist. Oder ob vielleicht sogar alles ein- und derselben Person zugestoßen ist. Was man sehr bald weiß, ist, dass in diesem Thriller Menschen viel Schmerz zugefügt wird: unschuldigen Kindern, die allein gelassen werden; Geschwistern, die getrennt werden; Müttern, die viel falsch machen; aber auch den Vätern, von denen man sich besser fernhält. 

Anna Hart ist Ermittlerin in San Francisco und Spezialistin für verschwundene Kinder und Jugendliche. Dieses Tätigkeitsfeld erklärt sich aus ihrer Geschichte. Auch Anna wurde im Alter von acht Jahren von ihrer Mutter verlassen. Diese verschwand am Weihnachtstag und überließ Anna die Verantwortung für ihre zwei jüngeren Halbgeschwister. Dass die Kinder von der Fürsorge getrennt und in verschiedenen Familien untergebracht wurden, hat Anna sich nie verziehen.

Mit dieser Vergangenheit wird sie konfrontiert, als sie auf der Flucht vor einer persönlichen Tragödie jüngeren Datums nach Mendocino in Nordkalifornien kommt – den Ort, an dem sie ihre einzigen glücklichen Jahre bei den Pflegeeltern Hap und Eden verbracht hat: Hap, der Ranger, der Anna alles über das Leben in der Wildnis beibrachte, und Eden, die ihr einfach Liebe schenkte. In Mendocino verschwinden plötzlich Mädchen: die 15-jährige Cameron, Adoptivtochter einer berühmten Schauspielerin, die elfjährige Polly, die 17-jährige Shannon. Dadurch kocht in der örtlichen Bevölkerung die Erinnerung an den gewaltsamen und nie aufgeklärten Tod eines Mädchens hoch, mit dem Anna als Jugendliche befreundet war. Anna könnte dank ihres besonderen Wissens und ihrer Vergangenheit die einzige Chance für die abgängigen Mädchen sein.

Die Autorin Paula McLain verarbeitet in „Nacht ohne Sterne“ ihre eigene Geschichte. Auch sie wurde als Kind von ihren Eltern verlassen und wuchs mit ihren zwei Schwestern bei verschiedenen Pflegefamilien auf. Nachdem sie sich mit zahlreichen Gelegenheitsjobs durchgeschlagen hatte, gelang ihr mit „The Paris Wife“ über die erste Frau von Ernest Hemingway der literarische Durchbruch („Madame Hemingway“, 2011 auf Deutsch erschienen). Mit „Nacht ohne Sterne“ ist McLain nun eine packende Mischung aus Thriller, Coming-of-Age- und Familienroman gelungen. 

Paula McLain: „Nacht ohne Sterne“, übersetzt von Yasemin Dinçer, Rütten & Loening-Verlag, 439 Seiten, 18,50 Euro

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.