Symbolfotos Hitzewelle
Klimawandel

Hitze: Die nächste große Plage

Nach bzw. parallel zur Pandemie droht die Hitze zur nächsten großen Gesundheitskrise zu werden.

Es ist heiß – und es wird noch viel heißer. Den Höhepunkt dieser Hitzewelle – die wievielte es ist, hat man ja mittlerweile schon Anfang Juli vergessen zu zählen – haben am Donnerstag Grünpolitiker und Expertinnen genutzt, um zu warnen, was in Sachen Hitze noch auf uns zukommt. Beziehungsweise wie dramatisch die Folgen, bis hin zum Hitzetod, schon jetzt für manche sind.

So erzählt etwa der Notarzt und Intensivmediziner Moritz Haugk bei dem Termin auf dem Heldenplatz – in der Wiese, man will vor Ort gleich demonstrieren, dass das Gras trotz intensiver Vormittagssonne noch frisch ist, während der Asphalt schon glüh – von drastischen Einsätzen. „Es kommt immer wieder vor, dass die Feuerwehr eine Tür aufbrechen muss, man kommt dann in eine völlig überhitzte Wohnung und findet eine tote oder kollabierte Person“, erzählt Haugk, der die Notfallabteilung der Klinik Hietzing leitet.

Er zitiert Statistiken, wonach die Zahl der täglichen Rettungseinsätze in Wien an Hitzetagen von im Schnitt 800 auf 1000 steigt. Und während Hitzefolgen wie ein Kollaps auch Jüngere treffen und mitunter Spitalsaufenthalte notwendig machen, seien die Folgen für Ältere, Vorerkrankte oder durch ihre Lebensumstände stark von Hitze Belastete drastisch. „Spitäler und Pflegewohnhäuser müssen sich auf schwere Folgen zunehmender Hitze vorbereiten.“

Die üblichen Tipps helfen vielen nicht

Die üblichen Tipps – viel Trinken, leichte Kleidung, direkte Sonne meiden usw. – helfen vielen nicht durch die Hitze: Die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) führt seit ein paar Jahren ein Hitze-Mortalitätsmonitoring. Dabei wird, wie das auch in der Pandemie passiert, anhand statistischer Daten die erwartete Mortalität einer Woche der tatsächlichen Zahl Verstorbener gegenübergestellt. Die daraus für Hitzephasen errechnete Übersterblichkeit erreichte 2018 einen Höchststand mit 550 Toten. Damit wären 2018 mehr Menschen in Österreich an Folgen der Hitze verstorben als bei Verkehrsunfällen.

Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) erinnert, dass das noch lang nicht alles gewesen sein könnte: Selbst wenn das 1,5-Grad-Ziel der Erderwärmung erreicht werden sollte, wie im Pariser Abkommen vereinbart wurde, würde sich die Zahl der Hitzetoten verzehnfachen. „Wenn wir es nicht schaffen, haben wir in Europa 100.000 jährlich, die an Hitze sterben“, so Gewessler. Die Kosten seien schon jetzt enorm, nicht nur für das Gesundheitssystem.

Viele Tote, hohe Kosten, ein globales Problem, das unweigerlich vieles verändern wird. Auch Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) zieht Parallelen zur Pandemie: Man dürfe neben der Corona-Pandemie den Klimawandel als zweite, große globale Herausforderung nicht vergessen.

Parallelen zur Pandemie

„Er findet jetzt, hier, bei uns“, statt, so Mückstein, der die Gesundheitspolitik und -verwaltung daher stärker mit Klima- und Umweltthemen verknüpfen will. Bereits jetzt gibt es ein Frühwarnsystem, das Bezirksverwaltungsbehörden, Krankenhäuser oder Altersheime frühzeitig vor Hitzewellen warnen soll. Längerfristig müsse man sich auf Entwicklungen einstellen, etwa indem die Zusammenarbeit von Gesundheits- und Klimaexperten gefördert wird.

Helga Kromp-Kolb, Österreichs bekannteste Klimaforscherin und jahrzehntelange Warnerin, sieht in diesen Aussagen der Politik einen Beweis, dass sich vieles getan hat. „Es ist nicht lang her, da habe ich so geredet, und die Politik hat zugeschaut“, erinnert sich die Forscherin, auch aus ihrer Bilanz klingen Ähnlichkeiten mit der Pandemie durch: Leugnen bringe nichts mehr, „die Diskussion, ob der Klimawandel menschengemacht ist, ist Geschichte, so wie der Klimaschutz eine Notwendigkeit ist, das hat mit Ideologie nichts zu tun.“

Der Weg von der Erkenntnis bis zur Reduktion der Emissionen sei ein langer. „Aber in den nächsten zehn Jahren müssen die Emissionen hinunter, es bleibt keine Zeit mehr“, so Kromp-Kolb. Da es sonst in der Hitze ungemütlich wird – und Folgekosten für Wirtschaft oder Gesundheit in die hohen Milliardenbeträge steigen, so die Forscherin. „Das ist nicht das Problem der Umwelt. Es ist das Problem unserer Gesundheit und Zukunft.“

(Die Presse)

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