Roger Federer

Höchststrafe für die Legende

APA/AFP/POOL/AELTC/BEN SOLOMON
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„Wo soll die Reise hingehen?“, fragt sich der 39-jährige Roger Federer nach seinem trostlosen Wimbledon-Aus. Die Aura der Unantastbarkeit schwindet, die Erklärungen sind alarmierend. Und doch ist Federer nicht abzuschreiben.

London/Wien. Es ist das wohl größte Sport-Klischee schlechthin, der Abgang auf dem Höhepunkt. Im Tennis ist ein siegreicher Abschied praktisch ein Ding der Unmöglichkeit, denn so man kein unantastbarer Serienchampion ist, steht nach jeder Woche und jedem Turnier am Ende eine Niederlage.

Am 8. August wird Roger Federer 40 Jahre alt. Einerseits möchte die Schweizer Tennislegende weiterspielen, andererseits will sich der 20-fache Major-Sieger nicht noch einmal so demütigen lassen wie nun ausgerechnet in Wimbledon im letzten Satz von Hubert Hurkacz (3:6, 6:7 (4), 0:6). Vor diesem Viertelfinal-Aus hatte Federer in diesem Jahrhundert erst einmal einen Satz zu null verloren (Roland Garros 2008 gegen Nadal), in Wimbledon, wo er als Rekordchampion regiert (acht Titel), war das undenkbar gewesen. „Das war hart“, meinte der Basler. „Die letzten Spiele, wenn dir klar ist, dass du nicht mehr zurückkommst. So eine Situation bin ich nicht so gewohnt, besonders nicht hier.“

Nach zwei Knieoperationen im Vorjahr und der Rückkehr auf den Platz, die ein Jahr länger gedauert hatte als erhofft, war Wimbledon Federers großes Ziel, dem er alles unterordnete. Er schaffte es immerhin ins Viertelfinale, allerdings ohne dabei einem Top-20-Spieler gegenüberzustehen. Alarmierend, was seine weiteren Chancen betrifft, war Federers Erklärung, er sei vom ständigen Antreiben und Motivieren nun vor allem mental so ausgelaugt, dass er auf der Stelle ein Schläfchen einlegen könnte.

Olympia?

Um einigermaßen an die Spitze zurückzukehren, ist beim aktuellen Weltranglistenachten allerdings noch weit mehr Anstrengung nötig, denn gerade durch das 0:6 in seinem „Wohnzimmer“ Wimbledon schwindet Federers Aura, mit der er bis zuletzt Matches gewann, die er rein spielerisch nicht hätte gewinnen dürfen.

„Es fehlen viele Dinge, die vor zehn, 15, 20 Jahren sehr leicht und ganz normal waren in meinem Spiel. Jetzt muss ich mich daran erinnern, dieses oder jenes zu tun“, erklärte Federer nach seinem Aus. Auffällig war etwa, dass dem Eidgenossen in Bedrängnis die Schnelligkeit und Beinarbeit fehlten, er immer wieder auch falsche Entscheidungen traf. Ein Viertelfinal-Aus also, das auch eine Antwort auf die Frage gab, was ihn so lang so unantastbar gemacht hatte.

„Wo soll die Reise hingehen, wie soll sie weitergehen?“, fragte Federer selbst. Ob die in gut zwei Wochen beginnenden Olympischen Spiele in Tokio ein ebenso großes Ziel sind wie Wimbledon, ist fraglich. Federer müsste einen gewaltigen Schritt machen, um dort konkurrieren zu können, das erklärte er selbst. Während er mit seinem Spiel auf Rasen noch Chancen hatte, wären die Strapazen auf Hartplatz, wo das Tennis seit Federers bisher letztem Turniersieg (Basel 2019) noch physischer geworden ist, noch einmal härter. Seine bisher letzten Erfolge feierte der Altmeister auch, weil er sich auf seine Art und Weise anpasste. Ob das mit 40 Jahren noch einmal gelingt?

Für das Kunststück eines triumphalen Abgangs gibt es jedenfalls kein besseres Beispiel als Pete Sampras. Der US-Amerikaner, der ebenfalls jahrelang in Wimbledon dominiert hatte, verlor 2002 bei seinem letzten Antreten im Rasen-Mekka in Runde zwei auf einem Außenplatz gegen den Schweizer Lucky Loser George Bastl. Später in diesem Sommer kam er nach einer Serie von 13 titellosen Turnieren nach New York, gewann sensationell die US Open und spielte seither kein Profimatch mehr.

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