Resümee

Schöttels EM-Bilanz: "Die Italiener sind geflippt"

FUSSBALL-EM 2021: ITALIEN - OeSTERREICH
FUSSBALL-EM 2021: ITALIEN - OeSTERREICHAPA/AFP/POOL/FRANK AUGSTEIN
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ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel blickt zurück: Über die Lehren der vergangenen Wochen, den Erfolgsfaktor Seefeld – und Erinnerungen an einen besonderen Abend im Wembley.

Es gibt schlechtere Tage für einen Besuch im Schweizerhaus, so man denn nicht zu Hitzeempfindlichkeit neigt. Bei 34 Grad bat der Österreichische Fußballbund (ÖFB) Donnerstagmittag zum Medientermin in den Wiener Prater.

Andreas Ogris war auch zugegen, nicht in offizieller Funktion, sondern als Gast einer anderen Runde. Als Ogris seinen früheren Weggefährten und nunmehrigen ÖFB-Sportdirektor, Peter Schöttel, an einem der Nebentische erspähte, grüßte und grinste der Ex-Austrianer.

„Was gibt es zu erzählen? War eh alles super“, sagte der 56-Jährige. Schöttel quittierte die Ansage mit einem zufriedenen Schmunzeln – und blickte mit dem Abstand von eineinhalb Wochen nach dem Achtelfinal-Ausscheiden gegen Italien nochmals auf das große Ganze.

Die Aussprache

Zehn Wochen nach dem ernüchternden März-Lehrgang samt der schmerzhaften 0:4-Heimniederlage gegen den späteren EM-Halbfinalisten Dänemark in der WM-Qualifikation zeigte Österreich während der Euro ein ganz anderes Gesicht. „Wir haben aus dem März unsere Lehren gezogen“, erklärt Schöttel. Was das konkret heißt? „Jedes Thema wurde intensiv besprochen: wie wir trainieren, wann wir aufstehen, wann wir frühstücken, wer bei welcher Besprechung dabei ist.“ Das Fazit: „Es war gut, alles nochmals zu schärfen und uns gleichzeitig auf dieses Großereignis einzuschwören.“

Gemeinsam wurden Etappenziele definiert. Der historische erste Sieg bei einer EM (3:1 gegen Nordmazedonien) gelang genauso wie der Aufstieg ins Achtelfinale. Das Spiel gegen Italien (1:2 nach Verlängerung) war Österreichs erstes K.-o.-Duell bei einem Turnier seit der WM 1954.

„Strada del Sole“ im Bus

All das waren Meilensteine für den ÖFB, die nur realisierbar waren, weil das Team als Einheit auftrat. Schöttel berichtet von durchwegs guter Stimmung, Mannschaftsabenden und unterhaltsamen Kartenspielrunden. Nach dem Sieg gegen die Ukraine und dem damit verbundenen Aufstieg sangen Spieler und Betreuer im Teambus zu Austropop-Hits, auch „Strada del Sole“ war dabei. „So etwas schweißt zusammen“, weiß Schöttel, selbst 63-facher Teamspieler.

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor sei auch die Wahl des Quartiers gewesen. Im Tiroler Seefeld fand der ÖFB-Tross die erhoffte Homebase. „Es hat sich nach jedem Spiel wie Heimkommen angefühlt. Am nächsten Morgen wachst du auf und siehst Berge und Schnee.“

Nicht nur einmal habe er, Schöttel, darüber nachgedacht, wie es denn in Bukarest, wo das Team zwei Gruppenspiele bestritt und sich die Ukraine niedergelassen hatte, gewesen wäre. „Das hätte nicht so gepasst. In Seefeld war der Wohlfühlfaktor groß.“

„Haben alle daran geglaubt, Italien schlagen zu können"

Das unumstrittene Highlight des EM-Abenteuers war freilich das Achtelfinale im Londoner Wembley-Stadion gegen Italien. Der große Favorit wankte, er fiel aber nicht. Was Schöttel an diesem Abend beobachtete? „Die Italiener sind geflippt und sind immer unruhiger geworden, je länger das Spiel gedauert hat.“

Nur neun Tage nach dem 0:2 gegen die Niederlande trat Österreich gegen die „Squadra Azzurra“ mutig und entschlossen auf. Es war keine urplötzliche Verwandlung, wie Schöttel meint. „Der Spielverlauf war ein anderer. Gegen die Niederlande waren wir rasch 0:1 zurück, dann wird es schwer. Gegen Italien stand es lange Zeit 0:0, dann beginnen auch große Mannschaften nachzudenken.“ Außerdem habe Franco Foda seine Spieler perfekt eingestellt. „Er hat ihnen gesagt: ,Italien ist gut, aber schaut euch das einmal an. Da spielt die italienische gegen die deutsche Liga, da ist nicht viel um.‘ Es haben wirklich alle daran geglaubt, dass wir Italien schlagen können.“

Angesprochen auf einen Medienbericht, wonach die Spieler Foda diktiert hätten, wie Österreich bei dieser EM spielen müsse – nämlich sehr viel offensiver –, stellte Schöttel klar: „Das ist absurd. Jeder Trainer der Welt setzt sich mit seinen Spielern zusammen und bespricht gewisse Themen. Aber es bestimmt einzig und allein der Teamchef, wer spielt oder wann getauscht wird.“

("Die Presse", Printausgabe 09.07.2021)

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