Energie

Abwärmenutzung macht die Industrie klimafreundlicher

Die Wärmepumpen wurden in drei Anwendungsfällen in industrieller Umgebung getestet.
Die Wärmepumpen wurden in drei Anwendungsfällen in industrieller Umgebung getestet. Agrana
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Was bisher als technisch unmöglich galt, wurde vom AIT gemeinsam mit 13 Partnern in den vergangenen fünf Jahren verwirklicht. Dafür wurde eine spezielle Hochtemperatur-Wärmepumpe entwickelt. Sie stellte ihre Effizienz bereits in 6500 Betriebsstunden unter Beweis.

Wärmepumpen gelten im Haushalt mittlerweile als bewährte und umweltfreundliche Technologie, etwa wenn es ums Heizen geht. Sie greifen dabei auf Umgebungswärme wie Luft, das Erdreich oder das Grundwasser als Wärmequelle zurück. „Was bisher aber nicht machbar war, ist die Verwendung von Niedertemperatur-Abwärme für Prozesse in der Industrie, die mehr als 100 Grad benötigen“, erklärt Veronika Wilk vom AIT (Austrian Institute of Technology). Sie ist Leiterin des EU-Forschungsprojekts DryFiciency, das nun nach fünfjähriger Laufzeit zu Ende geht und bei dem ein Konsortium aus 13 internationalen Partnern eine Technologie entwickelt hat, die genau das ermöglicht.

Die Agrana Stärke GmbH in Pischelsdorf (NÖ) und das Wienerberger Ziegelwerk in Uttendorf (OÖ) setzen die ersten solchen Anlagen seit einiger Zeit erfolgreich für Trocknungsvorgänge ein und verringern damit die bisher für diesen Bereich übliche Verwendung fossiler Brennstoffe. Ein weiteres Pilotprojekt läuft in einer norwegischen Abfallentsorgungsanlage. „Damit können wir den Energieeinsatz verringern, die CO2-Emissionen um bis zu 80 Prozent zurückschrauben und auch die Produktionskosten deutlich reduzieren“, so Johannes Rath, Technologieverantwortlicher bei Wienerberger.

„Während fürs Heizen im Haushalt meist eine Vorlauftemperatur von etwa 40 bis 60 Grad erforderlich ist, benötigen viele industrielle Prozesse Temperaturen jenseits der 100 Grad“, beschreibt Wilk die Herausforderung. „Die herkömmliche Technologie für die Nutzung von Abwärme mithilfe von Wärmepumpen ist für derart hohe Temperaturen aber nicht geeignet, wir mussten daher alternative Lösungen entwickeln.“ So hat die Chemours Deutschland GmbH als einer der Projektpartner ein synthetisches Kältemittel entwickelt, das auch bei 160 Grad chemisch stabil bleibt. Weitere Konsortiumsmitglieder tüftelten an der Verdichtertechnologie oder am benötigten Schmiermittel. Vom AIT stammt das Wärmepumpendesign.

Meilenstein Richtung Dekarbonisierung

Einer der Prototypen wird bei Agrana, einem der Global Player bei der Verarbeitung agrarischer Rohstoffe, eingesetzt, um mittels Trocknung das Wasser aus Weizenstärke zu entfernen. Vorstand Norbert Harringer: „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die bei unserer Produktion verursachten Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2040 auf Netto-Null zu reduzieren. Dass die Hochtemperatur-Wärmepumpe einen Teil der für den Trocknungsprozess benötigten Heizleistung beisteuert, ist ein wichtiger Baustein unserer Klimastrategie.“ Er rechnet damit, dass bei der Stärkeproduktion in seinem Betrieb rund 600 Tonnen CO2 pro Jahr weniger in die Luft geblasen werden.

Auch Rath ortet einen „Meilenstein in Richtung Dekarbonisierung der Industrie“. Sein Unternehmen, der größte Ziegelproduzent der Welt, setzt die neue Technologie ein, um die geformten Ziegel endzutrocknen und nutzt dafür die heiße Luft des Brennofens sowie die feuchte Abluft der ersten Trocknungsstufe. Das Besondere dabei ist, dass das neue System auf eine bereits vorhandene Wärmepumpe aufsetzt und deren Wirkung noch verstärkt.

„Letztlich kann man unsere Entwicklung überall dort in der Industrie nutzen und in bestehende Anlagen einbauen, wo Abwärme vorhanden ist und Prozesswärme benötigt wird – in unterschiedlichen Sektoren wie der Papier- und Lebensmittelerzeugung oder im Bereich der Chemie“, fasst Wilk zusammen. In einigen dieser Branchen machen Energie und Kraftstoffe bis zu 40 Prozent der Produktionskosten aus und verursachen große Mengen an schädlichen Emissionen. Wilk: „Die Demonstrationsprojekte, bei denen die neue Technologie in rund 6500 Betriebsstunden ihre Effizienz unter Beweis gestellt hat, zeigen, dass die Verwendung von Wärmepumpen in industriellen Trocknungsvorgängen eine klimafreundliche Alternative zu fossilem Erdgas ist.“ Wolfgang Hribernik, Leiter des Center for Energy am AIT, ist jedenfalls überzeugt: „Wärmepumpen werden in Zukunft ein wesentliches Element der Energie-Infrastruktur sein, auch im industriellen Kontext.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2021)

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