Geldpolitik

Nachwirkungen einer Entscheidung

In der EZB in Frankfurt laufen die Fäden der Geldpolitik zusammen.
In der EZB in Frankfurt laufen die Fäden der Geldpolitik zusammen.Reuters
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Die Europäische Zentralbank präsentierte am Donnerstag ihre neue Strategie. Was Bundesbank-Chef Jens Weidmann und andere Ökonomen zu der Weichenstellung sagen.

Wien/Frankfurt. Einen Tag nachdem die Europäische Zentralbank (EZB) die Weichen für ihre neue Strategie gestellt hat, äußerte sich nun auch der Präsident der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann. Die Bundesbank hält an der EZB den größten Anteil aller Notenbanken. Was Weidmann sagt, hat also Gewicht – und wird gehört, wenngleich nicht immer danach abgestimmt wird.

„Die neue Strategie hilft der Geldpolitik, Preisstabilität für die Menschen im Euroraum zu sichern“, sagte Weidmann am Freitag. Die EZB hatte am Donnerstag bekannt gegeben, ihr 18 Jahre altes Inflationsziel von „nahe, aber unter zwei Prozent“, auf „mittelfristig zwei Prozent“ anzupassen. Negative Abweichungen von dem Ziel sind ebenso unerwünscht, wie positive. Die zwei Prozent stellen einen „Anker“, aber „keine Obergrenze“ dar.

Doch kann die Inflationsrate von zwei Prozent durchaus überschritten werden, wenn die Zinsen, wie derzeit, nahe der unteren Grenze sind. Der französische Gouverneur Francois Villeroy de Galhau räumte in einem Interview jedoch ein, dass die genaue Bedeutung der Formulierung von „vorübergehendem” Überschießen noch diskutiert werden müsse. „Wir haben diese Dauer nicht besprochen, keine Zahlen. Es ist alles eine Sache des Kontexts.”

Die Änderung bei der Inflationsrate verschafft der Zentralbank mehr geldpolitischen Spielraum, sie ist nicht mehr sofort zum Handeln gezwungen. Was in ihrem Fall eine Anhebung des Zinssatzes bedeuten würde. Doch hat das neue Inflationsziel auch zur Folge, dass die expansive Geldpolitik wohl noch einige Zeit lang weiter fortgeführt wird. „Das heißt, Wirtschaft und Sparer im Euroraum werden sich auf absehbare Zeit leider auch weiterhin auf Negativzinsen einstellen müssen“, kommentierte Christian Ossig, der Hauptgeschäftsführer des deutschen Bankenverbandes BDB.

Was die Inflationsrate angeht, so verfehlte die EZB jahrelang ihr Ziel, trotz zahlreicher geldpolitischer Maßnahmen. Doch könnte die neue Maßzahl „ein Versuch der Währungshüter sein, die Inflationserwartungen dauerhaft auf ein höheres Niveau zu hieven, denn die Erwartungen haben auch Einfluss auf die Preisbildung an den verschiedenen Güter- und Arbeitsmärkten“, so Ökonom Ralf Umlauf von Helaba.
Unabhängig von ihrer Neupositionierung, die auch eine Änderung des Warenkorbs und eine stärkere Berücksichtigung des Klimawandels beinhaltet hat, wird sich die EZB allerdings auch bald mit der Frage beschäftigen müssen, wie lang sie ihre Krisenhilfen weiter fortführen wird.

Wann kommt der Ausstieg?

Wie aus den am Freitag veröffentlichten Protokollen der Zinssitzung von Juni hervorgeht, hat man eine mögliche Senkung des Tempos im Gremium diskutiert. Ein verbesserter wirtschaftlicher Ausblick solle sich demnach im Kauftempo bei den Anleihekäufen widerspiegeln. Beschlossen hat man im Juni aber letztendlich, dass die Anleihekäufe auch im dritten Quartal deutlich umfangreicher ausfallen werden. „Es wurde betont, dass die Erholung sich in einer frühen Phase befindet und ihr Robustheit fehlt, da sie stark abhängig ist von geldpolitischer Unterstützung“, hieß es in der Zusammenfassung. Bislang hat die EZB im Rahmen ihres Krisenprogramms um eine Billion Euro interveniert.
Erste Signale zum Ausstieg aus ihrem Notprogramm könnte dafür bald die US-Notenbank liefern. Die Finanzmärkte erwarten, dass es auf dem Notenbanktreffen in Jackson Hole Ende August mitunter sogar mehr als Hinweise geben wird. (ag./nst)

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