Kammermusikfest

Kammermusik in Lockenhaus feiert Jubiläum

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Seit 40 Jahren gibt es das Festival, das Gidon Kremer mit dem Pfarrer Josef Herowitsch gegründet hat.

Lockenhaus im Burgenland feiert 40 Jahre Kammermusikfest und Pflege zeitgenössischer Musik. Seit 2012 ist der deutsche Cellist Nicolas Altstaedt künstlerischer Leiter. Er programmierte sich zum Jubiläum mit zwei rezenten Stücken mit solistischem Führungsanspruch (altmodisch Cellokonzert genannt). Da schien die Veranstaltung jedoch in Biederkeit abgerutscht zu sein: „See: Sea & Seeds. Si“ (2016) des Franzosen Raphaël Merlin, das sind Stimmungsskizzen von bescheidener Ausdruckskraft und hemdsärmelig montierte Klangflächen. Sie weisen Merlin eher als undramatischen Ururenkel von Debussy aus, wiewohl er es versteht, für Cello effektvoll zu schreiben. Altstaedt, der Technokrat, setzte sich dabei nicht dem Risiko aus, Charme oder Sympathie versprühen zu wollen.

Unter dem verwaschenen Festivalmotto „Sinneserwachen“ ließ sich allerlei unterbringen. Auch Béla Bartóks Erstes Streichquartett (1909), vom Kelemen-Quartett als fesselnde interpretatorische Delikatesse und als emotionsgeladenes Dokument der Trennung des Komponisten von seiner Jugendliebe Stefi Geyer vorgeführt. Das frühe 20. Jahrhundert gehörte stets zur Lockenhauser Kernkompetenz. Wie auch die Wiener Klassik: Haydns Klaviertrio D-Dur, Hob. XV:24, eloquent dargeboten vom trefflichen Trio Gaspard, war ein klares Zeugnis dafür, ausgestattet mit den Ingredienzien des „pannonischen Jargons“.

Das dramatische Finalstück „Atlas“ (2019) für Solocello, Pauke und Streicher der Deutschen Helena Winkelman illustrierte Szenen aus der Mythen- und Sagenwelt mit einer offensiven Lust an Klangexperimenten, die von Altstaedt und dem gefinkelten Dirigenten Barnabás Kelemen ausgekostet wurden. Nach Lera Auerbachs charmanter Petitesse „Do not prolong goodbyes“ und Publikumsjubel verließ man die Kirche über den Josef-Herowitsch-Platz – eine Würdigung für den legendären Pfarrer von Lockenhaus, Seele des Ortes und organisatorischer Tausendsassa, ohne den es dieses Festival nie hätte geben können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2021)

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