Cannes

Ein Sister Act der besonderen Art

Die Nonne Benedetta (1590–1661), in Paul Verhoevens gleichnamigem Film gespielt von Virginie Efira, forderte die Kirche mit ihrer Sexualität heraus.
Die Nonne Benedetta (1590–1661), in Paul Verhoevens gleichnamigem Film gespielt von Virginie Efira, forderte die Kirche mit ihrer Sexualität heraus. ⫻ Guy Ferrandis/SBS Productions
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Die Croisette singt das Hohelied des Kinos – trotz Corona. Kritiker fordern mehr Achtsamkeit. Im Wettbewerb verzückt Paul Verhoevens lesbisches Nonnenstück „Benedetta“.

Glaube wird in Cannes großgeschrieben – zumindest der Glaube an das Kinoerlebnis als Gemeinschaftserfahrung mit Transzendenzcharakter. Gebetsmühlenartig beschwört das renommierte Filmfestival an der Côte d'Azur sein Bekenntnis zum Wunderwerk „le cinéma“, und zur Erhaltung seiner geheiligten Lichtspielstätten, die seit Jahren von Streaming-Barbaren belagert werden. Klar: Der heurige Eröffnungsfilm „Annette“ wurde von Amazon co-produziert. Doch in Frankreich startete er nach seiner Premiere direkt in den Kinos. Netflix, Stammgast bei Konkurrenzevents wie Venedig, fehlt indes zum dritten Mal in Folge im Cannes-Wettbewerb. Laut Intendant Thierry Frémaux aufgrund der Weigerung des US-Anbieters, seinen auf Festivals beworbenen Filmen einen ausreichend exklusiven Kinostart zu gewähren.

Der Kampf zwischen Kinobetreibern und Streamingportalen läuft in Frankreich auch auf anderen Ebenen. Er wirft Schatten auf Entwicklungen in benachbarten EU-Ländern voraus. 2020 eröffnete Netflix eine neue Dependance in Paris. Die Firma investiert verstärkt in national orientierte Stoffe – etwa in die populäre Serie „Lupin“ mit Omar Sy. Im Gegenzug hat die Grande Nation am 1. Juli ein Gesetz instituiert, das „audiovisuellen Mediendiensten“ vorschreibt, mindestens 25 seiner heimischen Umsatzprozente in französische Produktionen zu stecken. Global betrachtet scheint Netflix am längeren Ast zu sitzen: Wenigstens zu Beginn hat die Pandemie dem Streamer beachtlichen Kundenzufluss beschert – und einige Hollywoodstudios zur Verkürzung des Intervalls bewogen, in dem ihre Neuveröffentlichungen ausschließlich in Kinos laufen dürfen. Doch im Glamourgetümmel auf der Croisette lebt der Glaube an die Macht der großen Leinwand weiter. Beim Glauben an die Coronagefahr ist man sich indes nicht so sicher. Allzu lax wirken oft Einhaltung und Kontrolle der Schutzvorkehrungen, die sich das Festival heuer demonstrativ auf die Fahnen geschrieben hat, was zu indigniertem Blätterrascheln und Abwehrreaktionen der Verantwortlichen führt.

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