Gastkommentar

Die Natur darf kein Schlachthof werden

Auerhahn
Auerhahn (c) imago images / Panthermedia (´Siegma´ via www.imago-images.de)
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In Kärnten gibt es seit 21. April einen amtlichen Exekutionserlassfür 278 Auerhähne und 550 Birkhähne.

In Kärnten sollen von Amtswegen her insgesamt 828 Exemplare von zwei europaweit gefährdeten Vogelarten abgeschossen werden. Auerhahn und Birkhahn, die Männchen zweier Waldhuhnarten, sind faszinierende Geschöpfe unserer Alpen. Besonders wenn sie balzen. Mit metallisch schillerndem Gefieder, feuerroten Überaugenstreifen, urwüchsigen Tönen und eindrucksvollen Tänzen betören sie die tarnfarbigen Weibchen.

Nun aber sind die Bestände dieser Arten europaweit gefährdet. Zum lokalen Biotopschwund kommt aktuell der globale Klimawandel. In den Bergen wird es nach obenhin immer wärmer, und Alpentiere sind gezwungen, sich immer höher zurückzuziehen. Bald aber wird es in den Gipfelregionen eng. Der internationale Vogelschutz ist verzweifelt bemüht, Auer- und Birkhühner europaweit vor dem Aussterben zu bewahren.
Liest man nun das aktuelle Landesgesetzblatt für Kärnten, so traut man seinen Augen nicht. Da sollen auf Anordnung Auer- und Birkhähne bereits sterben, bevor sie noch aussterben könnten. Bekanntgegeben durch die 28. Verordnung der Landesregierung vom 21. April 2021 (Zl.10-JAG-2067/1-2021) „betreffend die vorübergehende Ausnahme von der Schonzeit für Auer- und Birkhähne in Kärnten“. Es darf also auf gefährdete Arten geballert werden, Feuer frei auf Waldhühner während der Balzzeit!

Zynisch und scheinheilig

Bei „erwachsenen“ Auerhähnen beträgt das euphemistisch verbrämte „Entnahmekontingent“ für Kärnten in den Jahren 2021 und 2022 sage und schreibe 278 „Stück“ und für „erwachsene“ Birkhähne unfassbare 550 „Stück“! So lautet das amtliche Todesurteil mit der Begründung, die an Scheinheiligkeit und Zynismus kaum zu überbieten ist: „Die Verordnung dient der Sicherstellung, Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der Bestände von Auerwild und Birkwild und der Vermeidung von Störungen des Reproduktionsprozesses dieser Bestände (. . .) entsprechend der Bedingungen der (. . .) Vogelschutzrichtlinie . . .“

Aus purer Lust am Töten

Wenn aber der waidmännische Lusttöter den Auerhahn oder Birkhahn im Frühjahr, während der Balz (!), hinterlistig über den Haufen schießt, was sonst bitte ist das, wenn nicht „Störung des Reproduktionsprozesses“? Aber warum müssen in Kärnten überhaupt eine so hohe Zahl dieser wunderbaren, gefährdeten Geschöpfe der jagdlichen Hinrichtung preisgegeben werden?

Auer- und Birkhähne schaden niemandem, warum also der amtliche Exekutionserlass? Als Totschlagargument muss wie meistens die „Tradition“ herhalten. Letztlich aber bleibt als (einzig ehrliche) Rechtfertigung die pure Lust am Töten.

Ein Naturfrevel der unglaublichen Art. 278 Auerhähne und 550 Birkhähne, die gegen jede Vernunft zum Abballern freigegeben werden. Keineswegs im Sinne der Vogelschutzrichtlinie, wie im Landesgesetzblatt wahrheitswidrig (!) behauptet, ganz im Gegenteil. Deshalb wurde die Republik Österreich von der Union bereits einmal zu Strafzahlungen verdonnert – konkret wegen der als „Balzjagd“ bezeichneten Frühjahrsballerei auf balzende Auer- und Birkhähne.
Sehr geehrter Herr Landeshauptmann Dr. Kaiser, lassen Sie nicht Kärntens wunderbare Natur zu einem Schlachthof verkommen. Heben Sie das Todesurteil an 278 Auerhähnen und 550 Birkhähnen auf! Gewähren Sie diesen prächtigen Geschöpfen Amnestie, sonst bleiben Biodiversität und Naturerbe in Kärnten bloß verlogene Worthülsen. Es könnte dann heißen: „Kein Urlaubsort, wo Vogelmord!“

Univ.-Prof. DDr. Antal Festetics (* 1937) studierte in Wien Zoologie und lehrt Wildbiologie an der Uni Göttingen.

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