Pizzicato

Coronologische Zeitmessung

Jede langjährige Freundschaft kennt die Tage, an denen die Gruppe versucht herauszufinden, welches Jahr es war, als . . .

Wann haben wir Brüssel besucht, ohne das Atomium zu sehen? Wann musste der Grillmeister ins Krankenhaus, weil ihm eine Glut ins Auge gesprungen ist? In welchem Jahr hatte es im August nur zwölf Grad bei der Gartenparty? So schrieben meine langjährigen Erasmus-Freunde einst nach einer dreitägigen Silvesterfeier in Salzburg ins Gästebuch: „Das war das Jahr, in dem wir uns versuchten zu erinnern, in welchem Jahr was war.“

Für die vergangenen eineinhalb Jahre ist diese Frage aufgehoben: Jede erinnert sich, in welchem Monat und Jahr es war, als . . . wir das letzte Mal ohne Maske im Restaurant saßen (Februar '20) . . . wir das erste Mal auf leeren Autobahnen zum Muttertag zur Oma fuhren und die Windschutzscheibe von Insekten verklebt war (Mai '20) . . . wir die Kindergeburtstagsfeier vom Spielraum in den Park verlegten (August '20) und wir die Party ganz absagen mussten (November '20). In der jüngeren Generation gab es wohl nie zuvor eine so lange Phase, in der sich alle einig sind, wann das und das war. Wünschen wir uns einen Sommer 2021, in dem die Zeit verfliegt und Erinnerungen verschwimmen. Und nur das Gefühl bleibt, dass alles gut war und wir wenig Sorgen hatten.

Reaktionen an: veronika.schmidt@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2021)

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