Djoković-Sieg

Wimbledon: Tennisgeschichte liegt in der Luft

(c) Getty Images (Julian Finney)
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Der ersehnte Grand-Slam-Rekord gehört nun auch Novak Djoković. Der Serbe triumphiert erneut in Wimbledon, die Konkurrenz ist chancenlos und der Weg zum besten Tennisspieler der Geschichte ist nicht mehr weit.

London/Wien. Nach dem entscheidenden Break im letztlich auch spielentscheidenden dritten Satz hatte es Novak Djoković mit einer Geste klargestellt: Große Matches werden im Kopf entschieden, und nicht nur in dieser Disziplin ist aktuell kein Kraut der Tenniswelt gegen den neuerlichen Wimbledon-Champion gewachsen.

Nach einem kurzen Betriebsunfall, nämlich dem Verlust des ersten Satzes, marschierte die Nummer eins im Finale gegen Matteo Berrettini zu seinem insgesamt sechsten Wimbledon-Titel (6:7 (4), 6:4, 6:4, 6:3). Grundsolide und in den wichtigen Augenblicken in Sachen Siegeswille und Effizienz unübertroffen – in dieser Manier hat Djoković zwei Wochen lang im All England Club aufgespielt, kein Profi der Welt findet momentan ein Mittel dagegen.

Die Bestmarke von Roger Federer und Rafael Nadal (je 20 Major-Titel) hat der 34-Jährige nun eingestellt, der echte „Grand-Slam“, der erste seit Rod Laver 1969, ist nur noch einen Turniersieg (oder sieben gewonnene Matches bei den US Open) entfernt. Als Draufgabe könnte der Serbe heuer den Olympiasieg in Tokio mitnehmen, ein Turnier, das bisher vor allem mit prominenten Absagen von sich reden macht. Siege bei allen vier Major-Events plus Olympia in einem Kalenderjahr, das wäre der sogenannte „Golden Slam“, eine bisher unerreichte Dimension im Herrentennis.

Ein Finale als Sinnbild

In Wimbledon war selbst Berrettini, der nach Matchsiegen beste Rasenspieler dieser Saison, am Ende auf verlorenem Posten. Die Unterstützung des mit 15.000 Zuschauern vollbesetzten Centre Courts war dem 25-jährigen Italiener zwar gewiss und im ersten Satz kämpfte er sich nach einem Fehlstart auch beachtlich zurück. Eine wirkliche Taktik um Djoković beizukommen, hatte der Major-Finaldebütant allerdings nicht zu bieten. Aufschlag und Vorhand, Berrettinis stärkste Waffen, schlugen nicht immer wie gehofft ein, in Summe war es zu wenig, um den Favoriten aus der Komfortzone zu holen, etwa ans Netz oder heraus aus seinem Schlagrhythmus. Bei den French Open hatte Djoković ebenfalls in vier Sätzen gegen Berrettini gewonnen, war aber mehr gefordert gewesen als nun auf Rasen.

Überragend einmal mehr bei Djoković: In 3:23 Stunden produzierte er nur 21 unerzwungene Fehler, Berrettini musste 57 Winner schlagen, um auf 131 Punkte zu kommen. „Ich habe einen guten Lauf gehabt“, meinte der unterlegene Römer. „Ganz klar, Novak war besser als ich. Er schreibt Geschichte in diesem Sport. Bei jedem Slam, jedem Turnier, in jedem Land. Für mich ist es hoffentlich erst der Anfang.“

»Glückwunsch Novak zu deinem 20. Major. Ich bin stolz, in einer besonderen Ära von Tennis-Champions zu spielen. Wunderbare Leistung, gut gemacht.«

Roger Federer

Djoković hatte seine beste Phase in diesem Endspiel einmal mehr zur rechten Zeit, als er das vorentscheidende Break im vierten Satz mit allen Mitteln erzwang und dabei vor allem zeigte, warum er auf dem besten Weg ist, der größte Tennisspieler der Geschichte zu werden. Niemand sonst ist wie Djoković dank seiner Körperbeherrschung in der Lage, aus der Defensive zurückzuschlagen, egal auf welchem Belag. Seine Balance, seine Beinarbeit, seine Platzabdeckung sind unerreicht. Der Return, der all diese Fähigkeiten am besten zum Ausdruck bringt, bleibt sein Paradeschlag. Umso mehr spricht für Djoković, dass ausgerechnet Goran Ivanišević als sein Betreuer in der Spielerbox saß, der vor genau 20 Jahren in ganz anderer Art und Weise seinen Wimbledon-Sieg eingefahren hat.

Grand Slam? „Ich versuche es“

Wieder hat sich in Wimbledon eine weitere Wahrnehmung über den Serben bestätigt. Selbst wenn die reinen Zahlen ihn bald zur Allzeitgröße machen werden, die ungeteilte Gunst der Tenniswelt wird Djoković wohl niemals haben. Ohne Not ließ er sich vom Final-Publikum, das heuer weniger auf Etikette achtete als bisher üblich, provozieren und provozierte zurück. Erneut musste Djoković auch ein wenig gegen die Zuschauer anspielen, die es ihm übel nehmen, nicht so kontrolliert und makellos aufzutreten wie seine Rivalen Federer und Nadal.

Am Ende gab es dann freilich versöhnliche Worte. „Ich habe das schon oft erzählt, aber Wimbledon zu gewinnen, war immer ein Traum“, erklärte Djoković. „Ich weiß, das ist eine große Ehre, ein Privileg.“ Den Kalender-Grand-Slam könne er sich „definitiv vorstellen“. „Ich werde es natürlich versuchen, ich bin in einer großartigen Form, ich spiele mein bestes Tennis bei Grand-Slam-Turnieren, sie sind meine größte Priorität.“

Finale in Zahlen

Novak Djoković – Matteo Berrettini 6:7 (4), 6:4, 6:4, 6:3.
Asse: 5 : 16
Doppelfehler: 4 : 3
Prozent 1. Aufschlag: 61% : 59%
Punktgewinn 1. Aufschlag: 79% : 76%
Punktgewinn 2. Aufschlag: 53% : 39%
Punkte am Netz: 34 von 48 : 24 von 39
Breakbälle: 5 von 14 : 2 von 7
Winner: 31 : 57
Unerzwungene Fehler: 21 : 47
Punkte gesamt: 144 : 131

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