Betrug: Breite Front für Briefwahl-Reform

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(c) APA (HELMUT FOHRINGER)
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Am Tag nach dem Geständnis kündigte der Bürgermeister von Unterrabnitz seinen Rücktritt an. Die Landesregierung schloss Neuwahlen aus – obwohl es einen Antrag geben wird.

[EISENSTADT/WIEN]Am Tag danach konnte der Bürgermeister von Unterrabnitz dem Druck nicht mehr standhalten: Ja, es werde „sicher einen Rücktritt geben“, kündigte Wilhelm Heissenberger (ÖVP) an. Sein Amtsverzicht sei bloß noch „eine Frage des Zeitplans“. Ob ihn Parteifreunde in der Bundes- und Landes-ÖVP zu diesem Entschluss gedrängt hätten? „Es gibt schon Kontakte, aber wir werden erst am Dienstag darüber reden.“

Die ganze Wahrheit war am Donnerstag ans Tageslicht gekommen: In einer mehrstündigen Einvernahme gestand Heissenberger der Korruptionsstaatsanwaltschaft, bei der burgenländischen Landtagswahl am 30. Mai 13 Wahlkarten manipuliert zu haben. Er habe beim Beantragen der Stimmzettel und teilweise auch beim Ausfüllen die Unterschriften gefälscht. Die Behörden ermitteln jetzt wegen Amtsmissbrauchs (Strafrahmen: bis zu fünf Jahre) und Wahlfälschung (bis zu sechs Monate) gegen ihn.

An den politischen Verhältnissen im Land wird dieser Wahlbetrug nichts ändern. Erstens, weil Landtags- und Nationalratswahlen nur binnen vier Wochen beim Verfassungsgerichtshof angefochten werden können. Zweitens, weil die Landesregierung aus SPÖ und ÖVP eine Neuwahl allein schon aus finanziellen Gründen ausschließt. Die offizielle Begründung klingt natürlich anders: Die Burgenländer hätten kein Verständnis dafür, hieß es am Freitag aus beiden Parteien.

Die FPÖ wird trotzdem eine Neuwahl beantragen und dürfte von den Grünen und der Liste Burgenland (LBL) unterstützt werden. Zusammen bringt es die Opposition jedoch nur auf fünf Mandate.

 

Weitere Betrugsfälle?

Am Freitag erging darüber hinaus eine weitere Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft – Absender: die FPÖ Burgenland. Sie vermutet weitere Betrugsfälle in Wiesen und Deutschkreutz, wo der einzige Mandatar der Liste Burgenland Bürgermeister ist. Der Mann heißt Manfred Kölly und war bis zu seinem Parteiausschluss im Jahr 2006 sogar Klubchef der FPÖ Burgenland. Die Brisanz daran: Mit nur einer Stimme weniger hätte die LBL den Einzug in den Landtag verpasst. Für die FPÖ hätte das ein viertes Mandat bedeuten können.

Im Bund wie Land beschleunigt der Fall Unterrabnitz die Debatte um eine Reform der Briefwahl. ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf räumte Handlungsbedarf ein. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter forderte, dass Wahlkarten spätestens am Tag nach der Wahl einlangen müssen (jetzt ist das wie in Wien bis zum achten Tag möglich). In Eisenstadt schloss Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) sogar eine Abschaffung nicht aus.

Auch Verfassungsexperten raten zu Änderungen. Theo Öllinger würde die Frist für die Wahlanfechtung auf die gesamte Legislaturperiode ausdehnen. Bernd-Christian Funk plädiert für schärfere Regeln beim Wahlkarten-Antrag.

Die Wiener Opposition ahnte inzwischen Böses für die Landtagswahl am Sonntag – und warf der SPÖ neuerlich Wahlbetrug vor. Sie keile Briefwähler in der türkischen Community an und habe sogar für schwer demente Menschen Wahlkarten geordert. Was die Bürgermeisterpartei vehement bestreitet.

In Unterrabnitz lüftete der Bürgermeister am Freitag übrigens ein weiteres Geheimnis: Eine der 13 gefälschten Wahlkarten war ungültig. Die Unterschrift hatte gefehlt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2010)


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