Covid-19

Umstrittene Kampagne soll Australier zum Impfen motivieren

Die Videokampagne ist umstritten. Erstens wegen der drastischen Bilder und zweitens wegen eines Appells, der ins Leere geht.
Die Videokampagne ist umstritten. Erstens wegen der drastischen Bilder und zweitens wegen eines Appells, der ins Leere geht.(c) Australian Government
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Impfstoff für Junge ist in Australien Mangelware. Nicht nur deshalb steht die Kampagne der Behörden mit drastischen Bildern einer um Atem ringenden jungen Frau im Krankenbett in der Kritik.

Wie drastisch soll und darf man die Folgen einer Covid-19-Infektion zeigen, um Menschen zu einer Impfung zu bewegen? Die Antwort auf diese Frage wird derzeit in Australien heftig disktutiert - ausgelöst durch einen TV-"Werbespot", in dem eine junge Frau im Krankenbett gezeigt wird, wie sie um Atem ringt. Ein Text warnt vor Beginn des Videos: die folgenden Aufnahmen könnten verstörend wirken. Auftraggeber der Kampagne ist die australische Regierung, Adressat: die Bevölkerung im Großraum Sydney.

Trotz eines harten Lockdowns kämpft die Metropole mit einem weiteren Anstieg der Corona-Fälle. Die Gesundheitsbehörden meldeten am Montag 112 neue Infektionen in der australischen Metropole innerhalb eines Tages - ein neuer Höchstwert in dieser Infektionswelle. Das Virus hat sich trotz des seit mehr als zwei Wochen andauernden Lockdowns inzwischen in mehreren Vierteln der Fünf-Millionen-Stadt ausgebreitet.

Die Regierungschefin des Bundesstaates New South Wales, Gladys Berejiklian, machte die Fahrlässigkeit von Bewohnern verantwortlich, die sich trotz des Lockdowns trafen. "Wenn Sie sich selbst einem Risiko aussetzen, setzen Sie Ihre gesamte Familie - und das bedeutet die erweiterte Familie, sowie Ihre engsten Freunde und Bekannten - einem Risiko aus", warnte Berejiklian die Bevölkerung.

Strenge Ausgangsbeschränkungen, kaum Geimpfte

Seit mehr als zwei Wochen dürfen die Bewohner von Sydney ihr Haus nur noch aus triftigem Grund verlassen. Die Maßnahme wurde vorerst bis 16. Juli verlängert. Australiens größte Stadt ist wegen der Beschränkungen de facto vom Rest des Landes abgeschottet.

Australien verfolgt anders als die europäischen Länder eine Strategie, die darauf abzielt, keinerlei Ansteckungen mit dem Virus mehr zu haben. Dafür machte die Regierung die Grenzen weitgehend dicht und verhängte bereits bei wenigen Ansteckungen örtlich begrenzte, aber dafür umso strengere Lockdowns. Diese Strategie hat es den Australiern ermöglicht, während der Pandemie relativ normal zu leben und gleichzeitig hohe Zahlen an Todesopfern zu vermeiden. Seit Beginn der Pandemie wurden in Australien etwas mehr als 30.000 Infektionen und 910 Todesfälle gemeldet. Unterdessen schreitet die Impfkampagne schleppend voran: Nur etwa zehn Prozent der Australier sind vollständig geimpft. Darum geht es auch den Verantwortlichen des drastischen Kampagnen-Films: „Covid-19 kann jeden treffen. Bleibt zu Hause. Lasst euch testen. Bucht euren Impftermin“, ist die Botschaft am Ende.

Kaum Impfstoff für Junge vorhanden

Ein Appell, der manchen Experten im Land missfällt. Bill Bowtell von der Universität New South Wales bezeichnet das Video als "auf jede Art verkehrt", wird er auf CNN zitiert. In der Kritik steht vor allem das Alter der Schauspielerin. Vor allem Jüngere sollen offenbar zum Impfen motiviert werden, doch Impfstoff für Junge ist in Australien Mangelware. Pfizer/Biontech-Impfstoff kommt dem Bericht zufolge erst Ende des Jahres wieder vermehrt ins Land. Australien setzte in der Planung vor allem auf das Vakzin von AstraZeneca, das wird von der Regierung aufgrund von Nebenwirkungen aber nur mehr für die Altersgruppe ab 60 empfohlen. Die Jungen mit dem Video zum Impfen aufzufordern, aber ihnen keinen Impfstoff zur Verfügung zu stellen, sei "komplett unanständig", schrieb etwa der Fernsehmoderator Hugh Riminton auf Twitter.

Das Gesundheitsministerium verwehrt sich gegen die Kritik. Die Lage im Großraum Sydney erfordere "drastische Bilder", um "der Botschaft Nachdruck zu verleihen", sagte der Chef der australischen Gesundheitsbehörden, Paul Kelly, der BBC. Auch Premier Scott Morrison, dessen Kurs in der Coronakrise mehr und mehr kritisiert wird, verteidigte das Video im australischen Fernsehen: "Vor ein paar Wochen haben dieselben Kritiker gefordert, dass die Anzeigen heftiger werden sollten, viel heftiger", sagte er auf Sky News.

(APA/AFP/Red.)

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