Finanzmarkt

Die Börsen im Bann von Angst und Gier

Goldman Sachs-Zentrale.
Goldman Sachs-Zentrale. APA/AFP/JOHANNES EISELE
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Die Zahlen für das zweite Quartal stehen an. Analysten rechnen mit erfreulichen Ergebnissen, so wie sie die US-Großbanken liefern konnten. Doch so eindeutig ist das Bild nicht.

Zwischen Gier und Angst ist der Grad oft schmal, besonders an den Finanzmärkten. Dort herrschen derzeit noch fröhliche Urständ. Nach einer kurzen Unsicherheit in der vergangenen Woche infolge steigender Coronavirus-Fallzahlen, erklommen die US-Börsen zu Wochenbeginn jedoch wieder einmal ein neues Rekordhoch. Auch im Frankfurter DAX herrschte zunächst Jubelstimmung.

Sieht man genauer hin, ist das Bild aber gar nicht so eindeutig, wie es auf den ersten Blick scheint. Beim Feer & Greed-Index, der die Gier und die Angst an den Börsen widerspiegelt, stehen die Zeichen nämlich auf Angst – und das obwohl einzelne Indikatoren, die für die Berechnung des Index herangezogen werden durchaus nach „extremer Gier“ aussehen.

So befindet sich etwa der breite US-Aktienindex S&P 500 acht Prozent über seinem 125-Tage-Schnitt. Und auch über dem Schnitt, der in den vergangenen zwei Jahren üblich war. Aktien haben mit ihrer Kursentwicklung in den vergangenen drei Wochen auch Staatsanleihen übertroffen, die in volatilen Zeiten gern gekauft werden. Allerdings war das Plus im Vergleich zu den Anleihen schon äußerst gering, was auf eine Umschichtung in sichere Häfen hindeuten könnte. Das zeigt, dass die Richtung an den Finanzmärkten nicht mehr so klar ist. Nach mehr als einem Jahr der Kursrallye ist das aber auch verständlich.

„Hohe Erwartungen“

Es gibt zudem genug Gründe, sich Sorgen zu machen. Da wäre zum einen die Geldpolitik, deren Corona-Unterstützungsbekundungen zumindest in den USA bald ein Ende finden dürften. Dann taucht monatlich die US-Inflation als Problem auf. Im Juni kletterte sie im Jahresabstand auf beachtliche 5,4 Prozent, obwohl Ökonomen mit einem leichten Rückgang gerechnet hatten. Auch wird interessant, ob die Konzerne ihre Gewinnerwartungen erfüllen können und die Preise an der Börse somit gerechtfertigt sind. „Die Erwartungen an die Unternehmensergebnisse sind hoch“, sagen dazu etwa die Experten der Helaba.

Für das Juni-Quartal wird den im S&P 500 gelisteten Firmen immerhin ein Gewinnanstieg um 66 Prozent zugetraut. Das ist deshalb relevant, weil in den USA am Dienstag die Bilanzsaison startete, wobei die Großbanken den Anfang machten. Und da sah es nach den ersten Ergebnissen gut aus: So bescherten glänzende Geschäfte mit Fusionen und Börsengängen der US-Investmentbank Goldman Sachs im zweiten Quartal einen überraschend starken Gewinnsprung. Die Bank konnte mit einem Überschuss von fast 5,5 Mrd. US-Dollar (4,6 Mrd. Euro) den zweithöchsten Quartalsgewinn in ihrer Geschichte einfahren. Ein Jahr zuvor hatten hohe Risikovorsorgen für Kreditausfälle und eine Einigung in der Korruptions- und Geldwäscheaffäre rund um den malaysischen Staatsfonds 1MDB den Gewinn auf 373 Mio. Dollar einbrechen lassen. Die Nettoerträge des Instituts legten im Jahresvergleich um 16 Prozent auf fast 15,4 Mrd. Dollar zu. Während die Erträge im Kapitalmarktgeschäft sprudelten, kam es im Handelsgeschäft zu einem Rückgang um fast ein Drittel.

Auch bei der größten US-Bank, JP Morgan, klingelten die Kassen. Denn dank florierender Geschäfte im Investmentbanking und sinkender Risikovorsorge im zweiten Quartal schrieb das Institut einen Gewinn von 11,9 Mrd. Dollar, im Vorjahr waren es noch 4,7 Mrd. Dollar gewesen. Damit übertraf die Bank die Erwartungen.

In den kommenden Tagen werden etwa noch Größen wie Coca-Cola, Amazon und Facebook ihre Zahlen legen. Es wird also spannend bleiben. 

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2021)

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