Der Streit um die Rechtsstaatlichkeit spitzt sich zu: Mithilfe des handzahmen Verfassungsgerichts versucht Polens Regierung, die Weichen für den Austritt aus der Rechtsordnung der EU zu stellen.
Warschau. Normalerweise sind Verhandlungen des polnischen Verfassungstribunals Routineangelegenheiten, die nicht länger als ein bis zwei Stunden in Anspruch nehmen. Nicht so am Dienstag, als sich die Beratungen über die Rechtssache K 3/21 bis in den frühen Abend zogen. Kein Wunder, denn hinter dem Aktenzeichen verbirgt sich ein Fall, der über die Zukunft Polens in der Europäischen Union (mit)entscheidend sein könnte – nämlich die Frage, ob das Recht der EU in Polen Wirksamkeit hat.
Den Stein ins Rollen gebracht hatte Premier Mateusz Morawiecki: Ende März bat er das seit Anfang 2016 von der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) kontrollierte Verfassungstribunal um eine Antwort auf die Frage, ob die EU auf die Funktionsweise der polnischen Gerichtsbarkeit Einfluss nehmen darf. Anlass war das Vorgehen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg gegen Teile der umstrittenen Justizreformen der polnischen Regierung.