In einer agilen Welt braucht es keine formale Macht. Der gemeinsame Sinn treibt die Menschen voran und alle Beziehungen laufen auf Augenhöhe. Welch naiver Gedanke.
Was passiert in Unternehmen, wenn formale, in Hierarchien abgebildete Macht abgeschafft ist und die Teams sich selbst steuern? Verschwindet dann Macht oder tritt sie in neuem Gewand auf?
Diesen Fragen gingen Karin Link, Leiterin des Instituts für persönliche Kompetenzentwicklung an der FH Wr. Neustadt, und Michael W. Busch, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Management & Leadership Development, in ihrem wissenschaftlichen Beitrag mit dem Titel „Was macht Agilität mit Macht? Eine Analyse des Machtphänomens in agilen Organisationen“ für das Journal für Psychologie nach.
Mit ernüchterndem Ergebnis. Macht verschwindet nicht, sie verlagert sich nur. Von formaler zu informeller Macht: Die Einflussstrukturen werden neu ausgehandelt, eine Machtbasis entsteht nicht mehr kraft Position, sondern entsprechend des Talents der Macht-Hungrigen, ihre Ideen überzeugend vorzubringen und die Willensbildung des Teams zu steuern.
Positiv ausgelegt: Es führt derjenige, der Leistung und Talent zeigt, der Sympathien auf seine Seite ziehen, der Mehrheiten zu lenken vermag.
Kritisch gesehen: Es kommt zu Rollenstress, zu Profilierungszwang und ungesundem Überengagement. Mit der Zeit bilden sich verdeckt wirksame Entscheidungsnetzwerke, weil nicht jeder offen Macht ausüben will. In Krisenzeiten kann es zu einem Entscheidungsvakuum kommen (wer trägt die Verantwortung?)
Fazit der Autoren: Auch in agilen Organisationen herrscht Bedarf nach quasi-hierarchischen, eindeutigen und schnellen Lösungen.