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Poleposition für den Wohlstand

Georg Knill, seit 2019 Präsident der IV.
Georg Knill, seit 2019 Präsident der IV.(c) Foto: IV/Alexander Müller
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Interview. Was ist notwendig, damit Österreich zu den wettbewerbsfähigsten Ländern aufschließen kann undzugleich ehrgeizige Klimaziele realisierbar sind? Antworten von IV-Präsident Georg Knill.

Vor ziemlich genau einem Jahr wurden Sie zum Präsidenten der Industriellenvereinigung gewählt. Wie fällt Ihre persönliche Bilanz bis dato aus?

Die coronabedingten Einschränkungen haben uns allen alles abverlangt bzw. sind immer noch ein massives Thema. Denken wir etwa an die Reisebeschränkungen, die nach wie vor aufrecht sind. Und dennoch: Es ist beeindruckend, wie rasch sich die Industrie als Anker der Stabilität wieder hochgearbeitet hat. Die Industrie als kräftige Lokomotive sichert und schafft Arbeitsplätze und nachhaltiges Wachstum. Bei der Industriellenvereinigung haben wir uns erfolgreich dafür eingesetzt, dass die Unternehmen und Beschäftigten gut durch die Krise und gestärkt aus der Krise kommen. Die Investitionsprämie war ebenso eine Erfolgsgeschichte wie die betrieblichen Testungen als Teil der nationalen Teststrategie, die praktikable Homeoffice-Lösung und die Kurzarbeitsregeln.

Was haben Sie zu Ihrem Dienst­antritt geändert?

Für mich hat Vorrang, die Interessen unserer Mitglieder zu vertreten. Unsere Prioritätensetzung erfolgt daher im direkten Austausch mit ihnen. Klar ist, dass Interessenvertretung im Jahr 2021 anders funktioniert als vor zehn oder 20 Jahren. Deshalb habe ich mich gemeinsam mit meinem Team rund um Sabine Herlitschka, Philipp von Lattorff und F. Peter Mitterbauer in den vergangenen Monaten intensiv für eine nachhaltige Wirtschaftspolitik stark gemacht.

Wie sieht moderne Interessen­vertretung für Sie aus?

Die Stärke der IV ist das Know-how, die Erfahrung unserer Mitglieder und die Expertise unserer Mitarbeiter. Wir reden hier von Unterneh­merinnen und Unternehmern bzw. Führungskräften, die mit ihren Betrieben in den unterschiedlichsten Branchen auf der ganzen Welt erfolgreich tätig sind. Mir ist sehr wichtig, dass dieses Wissen in unsere Arbeit noch stärker einfließt. Ich persönlich setze daher stark auf direkte Kommunikation, ob in den Bundesländern oder in unseren IV-Ausschüssen, in denen sich rund 900 IV-Mitglieder mit industrierelevanten Themen beschäftigen und die großen Zukunftsthemen aktiv gestalten.

Welche Schwerpunkte werden Sie und ihr Team in den nächsten Monaten setzen?

Die Wirtschaftskrise ist vorbei, auch wenn uns Corona noch weiterhin begleiten wird. Gemeinsam mit den Unternehmen haben wir eine Industriestrategie entwickelt. Dabei geht es darum, wie wir als Exportland am globalen Aufschwung teilhaben können und in Summe nicht nur das Vorkrisenniveau erreichen, sondern über uns hinauswachsen.

Das kann gelingen, indem . . .

. . . wir die großen Herausforderungen der Zukunft als Chance nutzen: Qualifizierung, Digitalisierung und Ökologisierung. Wer hier die klügsten Lösungen findet, steht auf der Poleposition für den Wohlstand von morgen. Das kann die österreichische Industrie und das wollen wir für Österreich sichern. Ich war in den vergangenen Wochen bei IV-Sommerempfängen in fünf Bundesländern zu Gast. Aus der Vielzahl an Rückmeldungen wissen wir, dass für die Mehrheit der Unternehmen der Fachkräftemangel neben der derzeit schwierigen Verfügbarkeit von wichtigen Rohstoffen zu den größten Problemen zählt.

Welche Maßnahmen schlägt die ­Industrie konkret vor?

Eine umfassende Fachkräftestrategie, die auf den drei Säulen Aus- und Weiterbildung, qualifizierte Zuwanderung und Verbesserung der Frauen­erwerbsquote aufbaut. Um das Problem richtig anzugehen, müssen zunächst bestehende Analysen und Prognosen zu Themen wie etwa Industrie 4.0 und Digitalisierung aufgegriffen werden. Die Erkenntnis daraus müssen wir dann den aktuell verfügbaren Kompetenzprofilen und dem zukünftigen Kompetenzbedarf am österreichischen Arbeitsmarkt gegenüberstellen. Darauf aufbauend sollte es klare Empfehlungen an die Politik geben, was etwa Kompetenzentwicklung in der Aus- und Weiterbildung oder in der Arbeitsmarktpolitik betrifft.

Ein weiteres Thema, das für die ­Industrie lang ein Reizthema war, ist der Klimaschutz . . .

Hier möchte ich mit einem Missverständnis aufräumen: Die Industrie ist kein Bremser beim Klimaschutz, wir sind Vorreiter. Wir sind seit vielen Jahrzehnten Pionier im Klimaschutz und nicht erst seitdem das Thema in aller Munde ist. Um nur einige Beispiele zu nennen: Die österreichische Papierindustrie hat etwa ihre CO2-Emissionen pro Tonne Papier seit 1990 um 40 Prozent reduziert. Auch die heimische Eisen- und Stahlindustrie setzt Benchmarks in Sachen Nachhaltigkeit. Aber wir müssen auch über die zweite Seite der Medaille sprechen: Statt unrealistischer Ziele oder ideologischer Debatten brauchen wir – die Unternehmerinnen und Unternehmer – Klarheit über die Rahmenbedingungen, wie Ziele erreicht und umgesetzt werden können. Es reicht nicht, Klimaneutralität per Gesetz vorzuschreiben. Die Energiewende steht und fällt mit der Akzeptanz der Bevölkerung. Ideologisch getriebene Klimapolitik kann den Wohlstand in unserem Land gefährden.

Was ist notwendig, damit Österreich seine Klimaziele erreichen kann?

Wir brauchen eine vernünftige, ehrliche und faktenbasierte Klimapolitik. Diese muss so gestaltet sein, dass dem Klima geholfen wird, aber Produktion im Land weiter möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist. Für viele Betriebe ist Klimaschutz eine Chance. Aber wir brauchen auch für jene Unternehmen eine Lösung, für die hohe Energiekosten ein zentraler Wettbewerbsfaktor sind.

Wie kann man die heimischen ­Unternehmen am besten unterstützen?

Nachhaltiger Klimaschutz und energieintensive Produktion können und müssen eine gemeinsame Zukunft in Österreich haben. Dafür müssen die betroffenen Unternehmen aber unterstützt werden. Es braucht eine Kompensation der Kosten, die nicht am weltweiten Markt untergebracht werden können. Konkret schlagen wir hier einen Industrie-Dekarbonisierungs-Fonds vor.

Sie haben in einem Gastkommentar im „Trend“ die Art und Wiese kritisiert, wie über Klimaschutz ­diskutiert wird . . .

Klimaschutz kostet ein Vermögen und ist am Ende von den Konsumenten und Steuerzahlern zu tragen. Diese unbequeme, aber fundamentale Wahrheit muss klar kommuniziert werden. Ein weiterer Punkt sind die Genehmigungsverfahren. Das Ziel 100 Prozent erneuerbare Energie bis 2030 ist aus den Erfahrungen der Vergangenheit nicht realistisch, da die Genehmigungen zum Bau der neuen Energiequellen und Energiespeicher zeitgerecht erfolgen müssen. Nehmen wir ein aktuelles Beispiel: die zusätzliche „Evaluierung“, ein de facto Umsetzungsstopp, wichtiger bereits vereinbarter und – oft jahrzehntelang – geprüfter Infrastrukturvorhaben der Asfinag. Dass es nach jahrelangen gerichtlichen Verfahren nun durch eine politische Entscheidung zu neuerlichen Verzögerungen kommt, ist weder nachvollziehbar noch akzeptabel.

Zum Abschluss: Was erwarten Sie vom zweiten Halbjahr 2021?

Der Aufschwung läuft und hat weite Teile der Volkswirtschaft erfasst. Wie stark und nachhaltig dieser ausfällt, hängt auch maßgeblich von den Rahmenbedingungen für die Unternehmen ab.

INDUSTRIELLENVEREINIGUNG

Die Industriellenvereinigung (IV) ist die freiwillige und unabhängige Interessenvertretung der österreichischen Industrie und der mit ihr  verbundenen Sektoren. Aktuell vertritt sie die  Anliegen ihrer mehr als 4500 Mitglieder und von einer Million Beschäftigen aus produzierendem Bereich, Kredit und Versicherungswirtschaft, Infrastruktur und industrienaher Dienstleistung – in Österreich und Europa. Die IV-Mitglieder repräsentieren mehr als 80 Prozent der heimischen Produktionsunternehmen. Die Industrie steht für 30 Prozent des BIP. Seit Juni 2019 ist Georg Knill IV-Präsident.

www.iv.at

INFORMATION

Die Seite „Comeback“ beruht auf einer Medienkooperation mit der „Presse“ und ist mit finanzieller Unterstützung der Industriellen-vereinigung entstanden.

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