Der Volvo ist zwar erkennbar, doch die sportliche Eleganz des Polestar 2 verleiht ihm einen eigenen Charakter.
Fahrbericht

Polestar 2: Der schwedische Weg zum Elektroauto

Fahrbericht. Ab September steigt in Österreich der Polestar 2 in den Ring mit Teslas Model 3. Die Volvo-Tochter hat abseits des allgegenwärtigen SUV-Hypes eine hochwertige E-Limousine gebaut und serviert bei der Software ein Highlight.

Wien. Mittlerweile gehören sie zum täglichen Straßenbild und sind keine Exoten mehr: die Elektroautos. Vor allem der VW-Konzern hat für eine regelrechte Stromerschwemme gesorgt. Der ID.3 als für E-Auto-Verhältnisse relativ kostengünstiger Kompaktwagen surrt schon zahlreich auf Österreichs Straßen. Vielmehr sind es aber SUVs, die es derzeit aus dem Elektrohimmel regnet. VWs ID.4, Škodas Enyaq, Fords Mustang Mach E sind die jüngsten Neuerscheinungen bei den Händlern.

Das Herzstück ist Googles Android-Auto im großen Display in der Mitte.
Das Herzstück ist Googles Android-Auto im großen Display in der Mitte.Polestar

Und Limousinen? Hier tut sich nicht allzu viel. Dabei ist gerade dieses Format ideal für windschlüpfrige E-Autos, wie Tesla mit dem Model 3 beweist. Im September bekommt es aber Konkurrenz. Die Volvo-Tochter Polestar bringt ihre von Grund auf als Stromschlitten konzipierte Fließhecklimousine namens Polestar 2 auf den österreichischen Markt und steigt damit in den Ring mit Teslas Model 3.

Die Volvo-DNA sieht man dem Polestar 2 gleich an. Hohe Gürtellinie und ein bulliges Erscheinungsbild verraten, dass Volvo dahintersteckt. Allerdings haben die Designer auf einen eigenen sportlichen Charakter nicht vergessen. Auf der Straße fällt der Polestar auf und zieht die Blicke auf sich. Die sieht man meist im Rückspiegel. Das Auto ist ein Kraftpaket. Zwei Elektromotoren mit einer Gesamtleistung von 408 PS und 660 Newtonmeter Drehmoment lassen den Polestar 2 in 4,7 Sekunden auf 100 km/h schießen. Der typische Beschleunigungsirrsinn Marke E-Auto ist also garantiert und macht Spaß. Dabei klebt der Wagen auch satt auf der Straße, nur in Kurven neigt er bei Übermut zum Untersteuern. Den Polestar 2 zu fahren, macht somit genauso viel Spaß wie ein Tesla Model 3. Vor allem das sogenannte One-Pedal-Driving ist eine neue Art von Autofahren, besonders in der Stadt. Bremspedal braucht man nicht mehr. Kaum vom Pedal rekuperiert der Polestar bis zum Stillstand. Zu Beginn ist das gewöhnungsbedürftig, hat man den Dreh heraußen, will man nichts anderes mehr. Die Rekuperationsstärke lässt sich am großen Bildschirm in der Mitte einstellen. Und damit sind wir bei einem der Highlights des Schweden.

Herzstück von Google

Dem Betriebssystem. Das kommt nämlich von Google. Das Produktteam rund um den Polestar hat sich gesagt: „Warum etwas Eigenes entwickeln, wenn andere das schon haben und besser können.“ Die Entscheidung, Googles Android-Auto als zentrales Betriebssystem einzubauen, war auf jeden Fall goldrichtig. Die Sprachbedienung ist kinderleicht, Google-Maps als Navigation ist der reinste Genuss. Bis hin zur sehr exakten Restenergieberechnung des Akkus beim Erreichen des Ziels. Das System ist auf Höhe der Zeit und einfach und intuitiv zu bedienen. Das sollte sich VW einmal ansehen.

Rund um den zentralen Schirm bietet der Polestar 2 ein hochwertiges Interieur, in dem man sich gleich wohlfühlt. Nur die Klavierlackteile hätte man sich sparen können, sind sie doch Staub-, Kratzer- und Fingertapserfänger.

Nicht alles was glänz, ist gut. Klavierlack liegt im Trend. Wozu eigentlich?
Nicht alles was glänz, ist gut. Klavierlack liegt im Trend. Wozu eigentlich?mare

Die Verarbeitung ist, wie man es von Volvo erwartet, makellos. Das sollte sich Tesla einmal anschauen. Genauso wie die Durchlademöglichkeit für Skier. In Österreich sicherlich ein Kaufargument. Oder die optionale, ausschwenkbare Anhängerkupplung. Wenn man nicht Skifahren gehen kann, dann halt Radfahren.

Praktisch: Die Durchlademöglichkeit für Skier
Praktisch: Die Durchlademöglichkeit für Skiermare
35 Liter passen in den "Frunk".
35 Liter passen in den "Frunk".mare

Zwei Tonnen brauchen viel Strom

Wo Polestar noch bei Tesla was abzuschauen hätte, wäre die Reichweite. Mit 2,1 Tonnen ist der Polestar 2 um fast 300 Kilo schwerer als Teslas Model 3 Longrange und das wirkt sich in der Reichweite aus. Der 78 kWh große Akku bringt den Stromer nach WLTP 470 Kilometer weit. Theoretisch. Bei der Testfahrt wurden 270 Kilometer vorwiegend auf der Autobahn bei 25 Grad Außentemperatur heruntergespult. Zum Schluss waren noch 18 Prozent Saft im Akku. Der Verbrauch lag bei 22,2 kWh / 100 Kilometer. Das ist für die Bedingungen nicht ganz wenig.

mare

Aber wer weiß. Möglicherweise optimiert Polestar seine Autos ebenfalls mit Over-the-Air-Updates. Beim Radio ist ein Bug schon ganz oben auf der Liste. Der ist nämlich jedes Mal ausgeschaltet, wenn man den Polestar in Betrieb nimmt. Egal ob er vorher eingeschaltet war. Auch der Tempomat könnte ein Update vertragen. Im Stop-and-go-Verkehr auf der Tangente will der nämlich immer einen Stupser am Gaspedal.

Alles in allem haben die Schweden ein Auto entwickelt, das dem Model 3 das Wasser reicht. Allerdings auch preislich.

Polestar 2

Maße L/B/H 4606/1985/1479 mm.
Radstand 2735 mm. Kofferraum 405 bis 1095 plus 35 vorn. Leergewicht 2123 kg.
Antrieb Permanenterregte Synchronmaschine vorn und hinten. Leistung max. 300 kW (408 PS); 660 Nm.
Lithium-Ionen-Batterie 78 kWh brutto.
0–100 in 4,7 sec. Vmax 205 km/h.
Testverbrauch 22,0 kWh/100 km. Reichweite 470 km (mix) 560 km (Stadt) nach WLTP. Ladeleistung AC bis 11 kW, DC bis zu 155 kW.
Preis ab 55.900 Euro

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