Zellbiologie

Zelltherapie fördert Heilkräfte des Körpers

Scientific research of nuclear transfer being carried out on several embryonic stem cells in petri dish property release
Scientific research of nuclear transfer being carried out on several embryonic stem cells in petri dish property release(c) imago images/Westend61 (Andrew Brookes via www.imago-images.de)
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Extrazelluläre Vesikel – winzige Teilchen, die von Stammzellen abgegeben werden – können Entzündungen unterdrücken. Ein Umstand, den man sich bei der Einheilung von Hörimplantaten zunutze gemacht hat.

Es gibt Therapien, bei denen die Gefahr besteht, dass Entzündungen und Narbenbildungen den Behandlungserfolg später wieder vermindern. Das passiert beispielsweise manchmal bei Menschen mit Hörverlust. Wenn sie mithilfe eines Implantats das Hören neu gelernt haben, kann sich durch Narben im empfindlichen Innenohr ihr Hörvermögen wieder verschlechtern. Der Grund: Der menschliche Körper will den Fremdkörper eigentlich abstoßen und reagiert in der ersten Phase nach der Implantation mit einer Entzündung.

Die Transfusionsmedizinerin Eva Rohde und der Zellbiologe Mario Gimona von der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg (PMU) haben nun gemeinsam mit Kollegen der Medizinischen Hochschule Hannover beim Einsetzen eines Hörimplantats weltweit erstmals ein neuartiges Stammzell-Therapeutikum eingesetzt, um die Sinneszellen im Ohr zu schützen. „Wir haben schon um die Jahrtausendwende begonnen, über Stammzellen nachzudenken, die Gewebe regenerieren können“, erläutert Rohde. Die Idee dahinter: Schlummernde Stammzellen sollen die körpereigenen Heilkräfte aktivieren.

„Wir verwenden nicht die eigentlichen Stammzellen, sondern arbeiten mit den extrazellulären Vesikeln von Vorläuferzellen“, erläutert der Zellbiologe Mario Gimona. Diese winzigen Teilchen (Nanovesikel) übertragen lediglich Informationen, zum Beispiel solche, die entzündliche Prozesse unterdrücken. Der Zellbiologe gewinnt im an der PMU angesiedelten Good-Manufacturing-Practice-Labor samt Reinraum diese Therapeutika aus Nabelschnurgewebe. „Wir haben die Stammzelltherapie zur zellfreien 2.0-Zelltherapie weiterentwickelt“, so Gimona.

Besseres Sprachverständnis

Lexikon

Angewandt wurde diese neue Therapie unter strengen Auflagen bei einem Patienten an der Medizinischen Hochschule Hannover. Der Mann mit beidseitigem Hörverlust hatte 2014 ein erstes Implantat erhalten. Vier Jahre später bekam der Patient beim zweiten Ohr ein identes Implantat – allerdings dieses Mal gleichzeitig mit dem nanovesikulären Therapeutikum. Die Vesikel-Flüssigkeit wurde während des Einsetzens des Implantats in die Gehörschnecke eingebracht und umspülte das Implantat.

Innerhalb der zwei Jahre dauernden Nachbeobachtungszeit zeigte sich, dass nicht nur keine problematischen Reaktionen des Körpers auf das Implantat auftraten. „Es kam auch zu einer deutlichen Verbesserung des Sprachverständnisses auf der neu behandelten Seite“, berichtet Rohde. Derzeit wird eine Studie vorbereitet, um die Effekte der neuen Behandlungsmethode in einem größeren Rahmen zeigen zu können.
Medikamente auf Basis der Vesikel können aber nicht nur bei der Einheilung von Cochlea-Implantaten Entzündungen und Narbenbildungen verhindern. Gimona und Rohde beschäftigen sich mit ihren Teams auch mit Einsatzmöglichkeiten bei Patienten mit Rückenmarksschädigung. „Nach einer akuten Querschnittverletzung gibt es eine zweite Phase. Das Gewebe im Rückenmark wird durch Entzündungen als Reaktion auf das Trauma weiter geschädigt“, erläutert die Medizinerin. Kann man diese Entzündungen mildern oder dazu beitragen, dass sie erst gar nicht entstehen, würden auch die Folgeschäden der Querschnittlähmung verhindert oder abgemildert.Moderne Formen der Zelltherapie werden etwa bei Schlaganfallpatienten oder bei Rückenmarksverletzungen angedacht. Dabei werden nicht die eigentlichen Stammzellen verwendet, sondern die von ihnen gebildeten extrazellulären Vesikel. Dadurch wird kein Zellgewebe, sondern nur Information übertragen, die Heilkräfte im Körper aktiviert. Das verhindert Abstoßungsreaktionen und schwächt Entzündungen und Narbenbildung ab.

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