Festkörperphysik

Mit tanzenden Quanten zum Superchip

Daten werden mit Hilfe von sogenannten Magnonen verarbeitet und übertragen
Daten werden mit Hilfe von sogenannten Magnonen verarbeitet und übertragen(c) imago images/VCG (via www.imago-images.de)
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Computerchips in Handys und Laptops könnten künftig mit einem Bruchteil der bisher benötigten Energie Daten verarbeiten. Um ans Ziel zu kommen, setzen Wiener Physiker auf Effekte im Magnetfeld – und einen speziellen Algorithmus.

Es war die Zeit der großen Pioniere, eine Ära, die auch der Physiker Andrii Chumak nicht so schnell vergisst: Anhand eines handelsüblichen Transistors, der in Computerchips elektrische Spannungen und Ströme steuert, wies der Wissenschaftler 2014 an seiner damaligen Wirkungsstätte Kaiserslautern nach, was in Fachkreisen prompt Wellen schlug: Für die Übertragung und Verarbeitung von Daten braucht es nicht notwendigerweise negativ geladene Teilchen, also Elektronen. Vielmehr erfolgte sie hier mithilfe von Magnonen. Winzigen Energiequanten jener Spinwellen, die aus der gezielten Störung der magnetischen Ordnung im Inneren eines Elektronikbauteils angeregt werden. Und die – das ist ihr Charme – vielfach geringere Energieverluste hervorrufen.

Das alles nährte seinerzeit Optimismus, mithilfe magnetischer Prozessoren bald Terabyte große Datenmengen zügig zu verarbeiten. Annahmen und Ambitionen, die Chumak heute zum Schmunzeln bringen. Denn mutet seine Domäne nach wie vor reichlich exotisch an, hat das physikalische Konzept als solches einen ordentlichen Leistungssprung vollzogen: Nicht nur haben die Forscher den Energieverbrauch bei vergleichbaren Anwendungen in sieben Jahren auf ein Milliardstel gesenkt und Schaltkreise leistungsmäßig in Schlagdistanz an die heute gängige Speicherbaustein-Technologie CMOS (Complementary metal-oxide-semiconductor) moderner Computerchips herangeführt. Magnonen erlauben auch eine kleinere Bauform für Smartphones oder Laptops. „Wir befinden uns im Nanometerbereich, wo man mikroskopisch an Grenzen stößt“, schildert Chumak, heute Professor der Arbeitsgruppe Nanomagnetismus und Magnonik der Universität Wien.

Versuch und Irrtum sind passé

Ein Technologiesprung, dem nun ein weiterer folgt. Die Zeiten, als in den Elektroniklabors jahrelang in Versuch und Irrtum an magnonischen Bauelementen getüftelt werden musste, sind längst vorbei. Kürzlich publizierte Chumak mit seinem Physikerkollegen Qi Wang im Fachblatt Nature Communications die Ergebnisse einer viel beachteten Arbeit. Sie soll helfen, Ideen und Konzepte magnonischer Schaltungen – zumeist aus ein paar Nanodrähten und künstlichen magnetischen Materialien wie Yttrium-Eisen-Granat modelliert – schneller in praxistaugliche Lösungen zu überführen.

Zugrunde liegt ein Algorithmus, den eigentlich Physiker auf dem Gebiet der Photonik schufen. Zunächst legen die Forscher die gewünschte Funktion eines Bauteils, den man sich leistungsfähiger wünscht, fest. Etwa eines Y-Zirkulators. Dieser hat in Smartphones die Aufgabe, „Signalrichtungen zu trennen“, schildert Wang. Der lernende Algorithmus erzeugt in der Folge zufällige Strukturen und optimiert sie.

Vom ersten Entwurf zum Prototypen

LEXIKON

„Das Ergebnis ist dann schon der Entwurf eines funktionierenden Geräts“, sagt Wang. Mit einem solchen Designansatz bereits zu seinen frühen Studientagen bewaffnet, hätte er wohl auch „um einiges schneller promoviert“, scherzt er. Einzelne Funktionen von Standardbausteinen der Digitaltechnik – etwa die Zahl logischer Verknüpfungen – lassen sich damit jederzeit abwandeln.

Ebenfalls simuliert haben die Wiener das Verhalten eines Multiplexers, einer Logikschaltung für Mikrochips, die Dateninformationen durch Wellen unterschiedlicher Frequenz in dafür definierte Kanäle leitet. Das dritte Demonstrationsobjekt war ein nicht linearer Schalter. Dieser trennt Spin-wellen unterschiedlicher Energie und sendet diese an dafür vorgesehene Ausgänge.

Die Realisierung verbesserter neuronaler Netze, durch die Magnonen sausen, strebt parallel dazu der Forscher Philipp Pirro von der TU Kaiserslautern – ein Weggefährte Andrii Chumaks aus dessen „Lehr- und Wanderjahren“ – an. Diese könnten, den Logiken des menschlichen Gehirns folgend, eines Tages den Transfer von Daten in komplexen Strukturen wie industriellen Produktionsnetzen revolutionieren. Das nächste Etappenziel der Wiener: der Bau voll funktionstüchtiger Prototypen.In der Magnonik – es handelt sich um ein relativ neues Teilgebiet der Festkörperphysik – erfolgt der Transport von Informationen allein über sogenannte Spins in Spinwellen und ihren Quanten, den Magnonen. Es fließt zu keiner Zeit elektrischer Strom. Das vermeidet Abwärme, die der weiteren Miniaturisierung von klassischen Halbleitern sukzessive Grenzen setzt. Die gezielte Nutzung von Teilchen- und Welleneigenschaften lässt hoffen, dass die Magnonik einmal die Halbleitertechnologie ergänzt. Die Taktfrequenz ließe sich mit magnonischen Prozessoren vermutlich um den Faktor Tausend steigern. Im Labor wurden bereits funktionstüchtige Bauteile wie Wellenleiter oder Transistoren entwickelt.

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