Fritz-Csoklich-Preis

Auszeichnung für Frauen-Trio

Drei Frauen kämpfen für die Freiheit von Belarus: Veronika Zepkalo, Swetlana Tichanowskaja und Maria Kolesnikowa (v.l.n.r.) auf einer Fotografie aus dem Juli 2020.
Drei Frauen kämpfen für die Freiheit von Belarus: Veronika Zepkalo, Swetlana Tichanowskaja und Maria Kolesnikowa (v.l.n.r.) auf einer Fotografie aus dem Juli 2020. AFP via Getty Images
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Swetlana Tichanowskaja, Maria Kolesnikowa und Veronika Zepkalo standen an der Spitze der belarussischen Bürgerbewegung. Nun werden sie in Wien für ihren Mut geehrt.

Vor einem Jahr schrieben diese drei Frauen Geschichte: Swetlana Tichanowskaja, Maria Kolesnikowa und Veronika Zepkalo schlossen sich zusammen, um die demokratischen Kräfte in Belarus zu bündeln. Nun werden die drei Aktivistinnen für ihren Einsatz für Menschenrechte und Demokratie mit dem von der Styria Media Group, der „Kleinen Zeitung“ und der „Presse“ verliehenen Fritz-Csoklich-Preis ausgezeichnet. Der Preis wird zum zweiten Mal für herausragende demokratische Verdienste vergeben. Die Verleihung wird voraussichtlich im September in Wien stattfinden. „Unter Einsatz des Lebens und der Freiheit kämpfen die Demokratiebewegung und ihre AnhängerInnen für die Absetzung des Diktators Lukaschenko“, heißt es in der Begründung.

Im Juli, wenige Wochen vor der belarussischen Präsidentenwahl am 9. August, absolvierten die drei Frauen unzählige umjubelte Auftritte im ganzen Land. Sie waren das visuelle Gegenprogramm zum langjährigen Amtsinhaber Alexander Lukaschenko: authentisch, energiegeladen, jung. Zu ihrer Popularität trug bei, dass sie alles andere als erfahrene Oppositionspolitikerinnen waren. Sie waren einfache Bürgerinnen. Aktivistinnen wider Willen: Die Ehemänner von Lehrerin Swetlana Tichanowskaja und IT-Managerin Veronika Zepkalo waren nicht zur Wahl zugelassen worden; die Musikerin Maria Kolesnikowa war als Wahlkampfmanagerin für Lukaschenkos stärksten Konkurrenten tätig, den populären Ex-Banker Viktor Babariko; Babariko war kurz zuvor festgenommen worden.

Der Zusammenschluss der drei Politik-Novizinnen war ein mutiger und überraschender Schritt, der die Bürger der früheren Sowjetrepublik beflügelte und politische Veränderungen erstmals sei Langem möglich erschienen ließ. Denn das Regime hatte Swetlana Tichanowskaja als Kandidatin zugelassen: Lukaschenko hatte zuvor deutlich gemacht, dass er die 38-Jährige nicht als ernsthafte Konkurrenz betrachtete.

Stellvertretend für andere

Das Frauen-Trio wurde zum Gesicht des Wandels, der die Gesellschaft schon länger erfasst hatte und nun eine politische Ausdrucksmöglichkeit gefunden hatte. Tichanowskaja, Kolesnikowa und Zepkalo standen im Rampenlicht – stellvertretend für andere Frauen. Denn die weibliche Beteiligung spielte eine wichtige Rolle in der Protestbewegung, wie die Minsker Philosophin Olga Shparaga, die in ihrem Buch „Die Revolution hat ein weibliches Gesicht“ mit Blick auf die Ereignisse des Sommers 2020 konstatiert: „Frauen führten die belarussische Gesellschaft aus ihrer Erstarrung und gaben den Anstoß zu den großen Demonstrationen in den folgenden Wochen.“ Nach den nächtlichen Protesten, die auf den Wahltag folgten, initiierten sie Solidaritätsketten am helllichten Tag, unterstützten politische Gefangene und verwirrten die Ordnungshüter mit immer neuen, kreativen Protestformen.

Verfolgung von NGO, Medien

Auch wenn nach einem Jahr der schwankende Diktator von damals nach außen hin wieder fest im Sattel sitzt, fürchtet das Regime jede Äußerung von öffentlichem Unmut. Der Staatsapparat ist nach wie vor mit der Machtabsicherung beschäftigt. Wenn sich die Bürger gefügt hätten, dann „müsste der Staat nicht jeden Tag mit scharfen Kontrollen und harten Repressionen im ganzen Land gegen sie vorgehen“, wie Shparaga anmerkt. Seit Beginn der Repressionen wurden Zehntausende festgenommen. 563 politische Gefangene, die zu Unrecht hinter Gittern sitzen, zählt man derzeit. In diesen Tagen wird das Land von einer neuen Verfolgungswelle erschüttert: Die Sicherheitsbehörden gehen gegen unabhängige Organisationen wie die Menschenrechts-NGO Wjasna und das Helsinki-Komitee sowie gegen kritische Medienvertreter vor.

Auch die drei Aktivistinnen hatten erhebliche Konsequenzen zu tragen. Maria Kolesnikowa, die sich gegen ihre Ausweisung zur Wehr gesetzt hat, wartet in Minsk in U-Haft auf ihren Prozess. Ihr droht eine mehrjährige Haftstrafe. Veronika Zepkalo und Swetlana Tichanowskaja sind in Freiheit. Sie mussten jedoch mit ihren Familien ihre Heimat verlassen. Während Tichanowskaja als demokratische Botschafterin ihr Land international vertritt, hat Zepkalo den Belarusian Women's Fund gegründet, der politisch verfolgten Frauen psychologische Unterstützung bietet. Die Bewegung geht, in veränderter Form, weiter. Philosophin Shparaga nennt das übrigens „revolution-in-progress“.

AUF EINEN BLICK

Der Fritz-Csoklich-Preis ist nach dem früheren langjährigen Chefredakteur der „Kleinen Zeitung“ benannt. Erster Preisträger war 2019 Arik Brauer. In diesem Jahr werden die belarussischen Bürgerrechtlerinnen Swetlana Tichanowskaja, Maria Kolesnikowa und Veronika Zepkalo ausgezeichnet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2021)

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