„Es gab schon Hinweise darauf, dass kollektive Intelligenz ein löchriges Konstrukt ist“, sagt der deutsche Philosoph Peter Sloterdijk, wenn er an die Coronapandemie denkt. Von Anfang an hat der Denker die staatliche Bemutterung und Entmündigung der Bürger kritisiert. Ein Gespräch über die Infantilisierung der Bürger, Konsum und Frivolität. ✒
In Ihrem neuen Buch „Der Staat streift seine Samthandschuhe ab“ schreiben Sie, das „Coronajahr“ sei ein Lernprozess für alle gewesen. Was haben wir denn gelernt?
Peter Sloterdijk: Die Hauptlektion war offenkundig, dass wir mit einem unzureichenden Gefährdungsbewusstsein in Bezug auf die gesamte mikrobielle Mitwelt ausgestattet sind. Allein den Ausdruck „Mitwelt“ auf die Mikrobenzone anzuwenden, ist ungewöhnlich, weil wir es nicht gewohnt sind, unser Universum mit unsichtbaren Mitbewohnern zu teilen. Wir wissen zwar, dass es so etwas wie Immunsysteme gibt. Kluge Biologen sind sogar einmal so weit gegangen zu sagen, dass das Einzelleben zu definieren sei als die Erfolgsphase eines Immunsystems.