Flutkatastrophe

Unwetter in Deutschland: Zahl der Todesopfer auf 150 gestiegen

Angela Merkel besuchte die von den Überflutungen betroffenen Gebiete im Bundesland Rhainland-Pfalz.
Angela Merkel besuchte die von den Überflutungen betroffenen Gebiete im Bundesland Rhainland-Pfalz.REUTERS
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Am Samstagabend kam es zu neuen Unwettern, die Lage bleibt angespannt. Bundeskanzlerin Merkel besucht die Krisengebiete und spricht von „gespenstischen Bildern“.

Vier Tage nach den verheerenden Unwettern in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ist die Zahl der Todesopfer auf mehr als 150 gestiegen. Allein im Kreis Ahrweiler kamen nach Polizeiangaben mindestens 110 Menschen ums Leben, 670 wurden verletzt. In Nordrhein-Westfalen lag die Zahl der bestätigten Todesopfer bis zum Sonntag bei 45, darunter vier Feuerwehrleute. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) besuchte die besonders betroffene Eifel.

"Wir stehen an Ihrer Seite, Bund und Land", sagte Merkel in Adenau im Kreis Ahrweiler. Bund und Land würden dabei Hand in Hand arbeiten. Sie sei gekommen, um sich ein reales Bild von den surrealen, "gespenstischen Bildern" an Ort und Stelle zu verschaffen, so Merkel. Die deutsche Sprache kenne kaum Worte "für die Verwüstung, die hier angerichtet ist."

Während sich dort und im Südwesten von NRW die Wassermassen vielerorts zurückgezogen haben, sorgten neue Regenfälle in Südostbayern und der Sächsischen Schweiz und für Überschwemmungen. Besonders betroffen ist das Berchtesgadener Land. "Fahrzeuge auf den Straßen wurden zum Spielball der Wassermassen", berichtete ein Einsatzleiter. Für Sonntag ist dort weiterer starker Regen vorhergesagt.

Merkel wird den Planungen zufolge zunächst die Eifelgemeinde Schuld besuchen, die besonders schwer verwüstet wurde. Danach (14.30 Uhr) ist ein Pressestatement mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) in Adenau etwa 50 Kilometer westlich von Koblenz geplant.

Suche nach Toten und Verletzten

In der Region wird weiter nach Toten und Verletzten gesucht, so dass sich die Opferzahl noch weiter erhöhen könnte. Strom- und Telefonleitungen sind teils unterbrochen. Bei der schwersten Hochwasserkatastrophe in Deutschland seit Jahrzehnten wurden viele Häuser zerstört. Brücken, Straßen und Bahnstrecken liegen in Trümmern.

In Erftstadt westlich von Köln suchen zahlreiche Menschen noch nach ihren Angehörigen. Bisher wurden nach Angaben der Stadt bei der "Personenauskunftsstelle" 59 Menschen gemeldet, deren Aufenthaltsort ungewiss ist. 16 davon kämen aus Erftstadt. Im Stadtteil Blessem wollen Fachleute am Sonntag die Stabilität des Untergrunds prüfen. Sie sollen nach Angaben der Stadt die Abbruchkanten eines Erdrutsches untersuchen. Die Lage sei unverändert angespannt. In Blessem war durch die Fluten ein riesiger Krater entstanden. Mindestens drei Wohnhäuser und ein Teil der Burg stürzten ein.

Einen Rückschlag gab es bei Euskirchen an der Steinbachtalsperre südwestlich von Bonn. Dort fließt das Wasser langsamer als erwartet ab. Deshalb sollten Experten am Sonntag die Lage des von einem Bruch bedrohten Staudamms neu bewerten, wie die Bezirksregierung Köln mitteilte. Eigentlich hatten die Behörden gehofft, am Sonntagnachmittag Entwarnung geben zu können. Aus der Talsperre wird Wasser abgelassen, um Druck von dem Damm zu nehmen.

Finanzminister Scholz fordert „nationalen Kraftakt"

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), der am Samstag mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Katastrophengebiet in Erftstadt besucht hatte, versprach den Betroffenen Direkthilfe und sagte zu, dass "sehr unbürokratisch Geld ausgezahlt" werde. Steinmeier hatte zu Solidarität und Spenden aufgerufen.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) stellte Soforthilfen in dreistelliger Millionenhöhe in Aussicht. "Es braucht einen nationalen Kraftakt", sagte er der "Bild am Sonntag". Am Mittwoch will der Vizekanzler im Kabinett zwei Dinge auf den Tisch legen: "Erstens eine Soforthilfe, bei der letzten Flut waren dafür deutlich mehr als 300 Millionen Euro nötig. Da wird jetzt sicher wieder so viel gebraucht", erläuterte Scholz. "Zweitens müssen wir die Grundlage für ein Aufbauprogramm schaffen, damit die zerstörten Häuser, Straßen und Brücken zügig repariert werden. Wie wir von der vorherigen Katastrophe wissen, geht es um Milliarden Euro."

Im Hochwassergebiet im Berchtesgadener Land waren nach offiziellen Angaben 890 Hilfskräfte in den besonders betroffenen Orten im Einsatz. Einsatzleiter Anton Brandner sprach von dramatischen Szenen. Heftige Regenfälle hatten am Samstagabend den Fluss Ache über die Ufer treten und Hänge abrutschen lassen. Zwei Menschen kamen ums Leben. Ein Opfer starb dem Landkreis zufolge an einer natürlichen Ursache. Aber auch das könne mit dem Unwetter zusammenhängen.

Immense Regenfälle verursachten am Samstag auch in Teilen Sachsens Überschwemmungen und Erdrutsche. Örtlich fielen innerhalb von 24 Stunden mehr als 100 Liter pro Quadratmeter. In der Sächsischen Schweiz waren mehrere Ortslagen von Städten und Gemeinden vorübergehend nicht erreichbar. Die Bahnstrecke zwischen Bad Schandau und dem tschechischen Decin - Teil der Verbindung Berlin-Dresden-Prag - wurde gesperrt. Am Sonntag entspannte sich die Lage.

(APA)

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