Sterbehilfe: Sobotka für Regelung im Verfassungsrang

Nationalratspräsident gegen Umbenennung von NS-belasteten Straßennamen. Der Parlamentsfahrplan steht, das Hohe Haus soll Vorbild für Inklusion werden.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) ist für eine Verfassungsbestimmung, die nach dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) den Umgang mit der Sterbehilfe in Österreich regelt. Wie diese aussehen soll, ließ er im Interview mit der Austria Presse Agentur offen. Im Umgang mit NS-belasteten Straßennamen plädiert er für historische Ergänzungen statt für die Umbenennung. Den Parlamentsumbau sieht Sobotka im Fahrplan und will das Hohe Haus zum Vorbild für Inklusion machen.

"Gerade die Frage nach der aktiven Sterbehilfe muss mit Sicherheit in die Verfassung aufgenommen werden", findet Sobotka bei diesem ethisch besetzten Thema. Präferenzen, in welche Richtung dies gehen soll, äußert er aber bewusst keine. "Der Nationalrat muss eine neue Lösung vorlegen, gar keine Frage", meint er lediglich dazu. Der VfGH hatte ja das Verbot des assistierten Suizids aufgehoben. Die katholische Bischofskonferenz hat danach gefordert, das weiter bestehende Verbot der aktiven Sterbehilfe in den Verfassungsrang zu heben.

Nicht überzeugt ist Sobotka, der sich bekanntlich gegen Antisemitismus engagiert, von der Umbenennung von Orten, die nach Personen benannt sind, die eine Nähe zum Nationalsozialismus aufweisen. "Wenn man ein Geschichtsbild korrigieren möchte oder neue Unterlagen hat, ist es notwendig, das dementsprechend zu setzen, ohne den Namen gleich wieder zu entfernen", meint er. "Ich halte es für spannender, wenn man beispielsweise unter den Straßennamen der belasteten Person eine entsprechende Erklärung setzt. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt, weil es ein offenes und ehrliches Umgehen mit der Geschichte ist."

Die Zeit des Austrofaschismus bezeichnet der Historiker bevorzugt als "Kanzler-Diktatur". Für den Nationalratspräsidenten eine Zeit, die noch mehr der Erforschung brauche, wie er sagt. Zu diesem Regime gebe es jedenfalls nichts zu beschönigen. Engelbert Dollfuß, dessen Porträt lange in den Klubräumlichkeiten der Partei hing, sei nicht der "Ahnvater der ÖVP, sondern hat die christlich-soziale Idee sehr schwer beschädigt", so Sobotka. "Daher soll er auch im Museum bleiben."

Parteifarbe Türkis „eine logische Weiterentwicklung"

Wie die Geschichte den Wechsel zur "Neue ÖVP" unter Parteichef und Bundeskanzler Sebastian Kurz sehen wird, müssen für Sobotka die Historiker schlussendlich klären. Nur so viel: "Ich glaube schon, dass der Zugang ein neuer geworden ist. Und vor allem die Haltung. Haben Sie den Kanzler jemals gesehen, dass er entgleist wäre?" Und weiter: "Ich halte es auch für gut, dass man sich keiner modernen Negativ-Strategien, wie Dirty Campaigning bedient. Die Parteifarbe Türkis sei dabei "eine logische Weiterentwicklung, die auch im Außenbild wahrgenommen wird. Auch durch eine neue Farbe".

Sobotka zeigt sich weiterhin zuversichtlich, dass Parlamentsabgeordnete und -mitarbeiter im Herbst des kommenden Jahres in den renovierten Bau am Ring zurückkehren werden. Was das neue Haus in jedem Fall sein müsse, sei ein Vorbild in Sachen Inklusion. Immerhin wiesen 20 Prozent der Menschen irgendeine Form einer Behinderung auf.

Änderungen erwartet sich Sobotka, der auch Vorsitzender des Ibiza-Untersuchungsausschusses ist, auch bei den Spielregeln im Haus. „Ich glaube, der Ton ist allgemein rauer geworden. Auch wenn das ein oder andere sicher auch der Coronakrise geschuldet ist.“, sagte Sobotka im Interview mit der „Presse am Sonntag“.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Kanzleramtsministerin Karoline Edstadler (ÖVP)
Tod

"Würde des Lebens": Edtstadler pocht auf Werbeverbot für Sterbehilfe

"Ich will nicht, dass mit dem Tod ein Geschäft gemacht wird", betont die Kanzleramtsministerin. Den Ball sieht sie derzeit beim Justizministerium liegen.
Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) hatte ursprünglich angekündigt, einen Gesetzesentwurf zur Regelung des assistierten Suizids noch vor dem Sommer zu präsentieren.
Justiz

Wer handelt? Wer zahlt? Bericht zur Sterbehilfe liegt vor

Dem VfGH zufolge verstößt die "Hilfeleistung zum Selbstmord" gegen das Recht auf Selbstbestimmung. Nun soll das Gesetz auf Basis der Vorschläge des "Dialogforums“ umgestaltet werden.
Es sei verfassungswidrig, jede Art der Hilfe zur Selbsttötung ausnahmslos zu verbieten, befand der VfGH.
Liberalisierung

Sterbehilfe: "Dialogforum" nimmt Beratungen auf

Der VfGH hatte entschieden, der Straftatbestand der "Hilfeleistung zum Selbstmord" verstoße gegen das Recht auf Selbstbestimmung. Nun soll das Gesetz neu gestaltet werden.
OeFFENTLICHE VERHANDLUNG DES VERFASSUNGSGERICHTSHOFES (VFGH) ZUM VERBOT DER STERBEHILFE: MADNER/GRABENWARTER
Strafrecht

Mehrheit plädiert für Sterbehilfe, Arbeit an neuem Gesetz startet

Befürworter der Sterbehilfe präsentieren Studie, die ihre Ansicht stützt. Der Verfassungsgerichtshof verlangt eine Neuregelung bis 2022.
Der VfGH hat in seinem Urteil vom Dezember 2020 befunden, dass der Straftatbestand der "Hilfeleistung zum Selbstmord" gegen das Recht auf Selbstbestimmung verstößt.
Liberalisierung

Justizministerium richtet "Dialogforum Sterbehilfe" ein

Religionsgemeinschaften, Organisationen und Wissenschafter sind zum Gespräch Ende April geladen. Grund ist das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.