Unwetter

Hochwasser: „Wir waren absolut machtlos“

Unwetter in Schärding
Unwetter in SchärdingAPA/DANIEL SCHARINGER
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Tausende Feuerwehrleute waren seit Samstag in Großeinsatz. Auch das Bundesheer rückte in Salzburg aus, um die schweren Schäden zu beheben.

Wien. Während der Starkregen am Sonntag entlang des Alpennordrands anhielt, haben an vielen Orten bereits die Aufräumarbeiten begonnen. In nur wenigen Stunden hat es am Samstag an vielen Orten ähnlich viel oder sogar mehr als sonst im gesamten Juli geregnet, wie die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) erhoben hat. Die Folgen: Überflutungen, Vermurungen und ein Großeinsatz der Einsatzkräfte. Immerhin, mit Stand Sonntagnachmittag gab es keine Nachrichten über Verletzte oder gar Tote.

Salzburg

Die Videoaufnahmen von Hallein, wo sich der Kothbach am Samstagabend binnen Minuten zu einem reißenden Strom gewandelt, einige Menschen mitgerissen (sie konnten gerettet werden) und die Altstadt überflutet hat, gehören zu den einprägsamsten dieses Unwetter-Wochenendes. „Die Wassermassen sind derart schnell gekommen, dass wir in der ersten Phase absolut machtlos waren,“ sagte der Halleiner Feuerwehrkommandant, Josef Tschematschar, auf orf.at. Im Ortsteil Gamp wurden mehrere Häuser aufgrund eines drohenden Hangrutsches evakuiert.

Flut in Hallein
Flut in Hallein(c) CHRISTOPH KAHL via REUTERS (CHRISTOPH KAHL)

Dass Hallein besonders gefährdet ist, ist an sich bekannt. 300 Gebäude liegen in der gelben, 60 gar in der roten Gefahrenzone, in der ein Bauverbot gilt. Einige Hochwasser-Schutzmaßnahmen gibt es, sie haben auch angeschwemmtes Geröll und Holz aufgefangen. Seit Herbst werde ein Hochwasserschutz samt Rückhaltebecken für den kleinen Zufluss zur Salzach gebaut – für den Halleiner Bürgermeister, Alexander Stangassinger (SPÖ), ein Jahr zu spät, weil der Baubeginn torpediert worden sei. „Es hat Einsprüche gegeben von Naturschutzseite und diversen Anrainern. Wenn es diese Verzögerung nicht gegeben hätte, hätten die Überschwemmungen ein viel geringeres Ausmaß oder ganz verhindert werden können“.

Am Sonntag waren Einsatzkräfte, unterstützt von 50 Soldatinnen und Soldaten des Bundesheeres sowie Bewohner mit den Aufräumarbeiten beschäftigt – mitunter behindert von Schaulustigen.

Auch andere Regionen Salzburgs sind von den Unwetterschäden betroffen, neben dem Tennengau vor allen der Pinzgau. Die Pegelstände der Salzach und zahlreicher Zuflüsse stiegen auch am Sonntag weiter an. In der Kürsingerhütte in Neukirchen waren 35 Menschen aufgrund eines Murenabgangs eingeschlossen, aber nicht in Gefahr. Wildbachverbauungen und -sperren hatten noch größere Schäden verhindert.

In Pfarrwerfen (Pongau) wurde ein Haus auf einem instabilen Hang evakuiert, sieben Personen wurden in Sicherheit gebracht. Das Trinkwasser in Kuchl war verunreinigt, weil Schmutzwasser ins Quellschutzgebiet eingedrungen war.

Überflutungen haben auch den Zugverkehr behindert, wann die Strecken wieder befahrbar sind, ist offen. Betroffen sind die Pinzgauer Lokalbahn bei Uttendorf sowie die ÖBB-Strecke zwischen Bruck und Zell am See und der Zugverkehr zwischen Taxenbach und Lend, Golling und Werfen waren gesperrt, ebenso die Felbertauernstraße und die Salzachuferstraße in Bruck.

Tirol

Ähnlich stark wie das Bundesland Salzburg wurde auch Tirol von den Folgen der Regenmassen getroffen. Zahlreiche Murenabgänge, überflutete Keller und Tiefgaragen waren die Folge, Berichte von Verletzten gab es auch in Tirol am Sonntagnachmittag nicht.

Besonders betroffen war die Stadt Kufstein. „Die Innenstadt steht in einer Form unter Wasser, wie wir es noch nie erlebt haben“, sagte Kufsteins Bürgermeister Martin Krumschnabel am Sonntag zur „Austria Presse Agentur“. An Aufräumarbeiten war am Sonntag hier noch nicht zu denken. Die Feuerwehren seien damit beschäftigt, die Bäche auszupumpen und Verklausungen zu beseitigen.

Zivilschutzalarm in Kufstein
Zivilschutzalarm in KufsteinAPA/ZEITUNGSFOTO.AT/DANIEL LIEBL

Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) sagte den Betroffenen finanzielle Hilfe aus dem Katastrophenfonds zu. Eine Beihilfe von 50 Prozent des geschätzten Schadens werde gewährt. Über die Schadenshöhe war am Sonntag noch nichts bekannt.

In Kufstein fielen binnen 24 Stunden 125 Liter pro Quadratmeter. Zum Vergleich: Im gesamten Juli regnet es hier sonst 174 Liter. Ähnlich die Lage in Reutte, wo am Wochenende 130 Liter pro Quadratmeter fielen, und damit ein Großteil der sonstigen Julimenge von 193 Litern.

Schäden gab es auch in Kelchsau (Bezirk Kitzbühel), der Ort war nach einem Murenabgang vorübergehend abgeschnitten: Denn die Kelchsauer Landesstraße wurde zum Teil von der Kelchsauer Ache weggerissen und ist seitdem nicht mehr passierbar. Mehrere Bäche waren übergetreten. Auch der zweite Weg nach Kelchsau konnte wegen einer unterspülten Brücke vorerst nicht mehr befahren werden. Weil in dem Ort am Abend ein Fest stattfand, waren somit rund 80 Menschen, die nicht in der Kelchsau wohnen, eingeschlossen. Im Laufe des Vormittags konnten sie aus der Ortschaft gebracht werden.

Aufgrund von Vermurungsgefahr wurde Samstagabend die Felbertauernstraße zwischen der Mautstelle und Hinterburg gesperrt. Die Dauer der Sperre war noch unbekannt. Auch mehrere Bundesstraßen, darunter die Fernpassstraße (B 179), waren zum Teil nicht befahrbar. Einige Zugverbindungen im Tiroler Unterland – wie jene durch das Brixental zwischen Wörgl und Schwarzach-St. Veit in Salzburg – sind laut ÖBB aufgrund von Hangrutschungen unterbrochen. Ein Schienenersatzverkehr wurde eingerichtet.

Oberösterreich

Auch in Oberösterreich gab es lokal Vermurungen und Überflutungen. Genau beobachtet wurden die Pegelstände von Inn und Donau – hier wurde auch teilweise vorsorglich der mobile Hochwasserschutz errichtet, etwa in Schärding am Inn, wo auch die Schiffsanlegestellen gesperrt wurden. Auch die Wasserstände der Donau sollten in der Nacht auf Montag noch weiter steigen, die Prognosen blieben aber deutlich unter den Hochwässern von 2002 und 2013. In Linz wurden vorsorglich sämtliche Abgänge zur Donau geschlossen und die Elemente des mobilen Hochwasserschutzdammes aufgestellt. Mit einem Übertreten der Donau wurde aber nicht gerechnet.

Murenabgang in Oberösterreich
Murenabgang in OberösterreichFOTOKERSCHI.AT/WERNER KERSCHBAUM

Niederösterreich

Im Bezirk Krems hat der Pegelstand der Donau am Sonntag die Hochwasseralarmstufe erreicht. Am Abend betrug der Stand bei der Messstelle Kienstock 780 Zentimeter, nachdem er am Samstag noch deutlich unter 400 Zentimeter gelegen war. Trotz der Alarmstufe bestehe derzeit keine Gefahr für die Bevölkerung an der Donau, teilte die Feuerwehr Krems auf ihrer Website mit.

In Ferschnitz und Neuhofen im Bezirk Amstetten wurde Zivilschutzalarm ausgelöst. Beide Gemeinden an der Ybbs sind laut Landeswarnzentrale vom Hochwasser umschlossen.

Im Bezirk Krems ging am frühen Nachmittag ein schweres Gewitter nieder. "Innerhalb von zwei Stunden hat es an die 150 Liter pro Quadratmeter geregnet", berichtete die Feuerwehr. Die Folge waren laut Aussendung reißende Bäche, die sich aufgrund der Wassermassen bildeten und durch die Straßen der betroffenen Ortschaften Eggendorf, Höbenbach, Hörfarth, Meidling im Tal und Paudorf rauschten. Bewohner waren in ihren Häusern eingeschlossen, selbst die Feuerwehr in Höbenbach saß fest und konnte nicht ausrücken.

Seit Sonntag ist das Bundesheer in einigen Hochwasser-Gebieten mit schwerem Gerät im Einsatz, berichtete das Verteidigungsministerium. Laut der Wetterprognose sollte der Niederschlag in den Nachtstunden aber auch in Niederösterreich abklingen.

Feuerwehreinsatz nach Starkregen in Wien
Feuerwehreinsatz nach Starkregen in WienAPA/STADT WIEN | FEUERWEHR

Wien

In Wien waren die Feuerwehren am Wochenende im Dauereinsatz, vorrangig mussten sie überflutete Keller und Tiefgaragen auspumpen. Der Liesing- und der Petersbach traten teils über die Ufer, die (unterirdische) Straßenbahnstation am Matzleinsdorfer Platz stand unter Wasser. Rund 6650 Haushalte waren kurzzeitig ohne Strom. Seit Sonntag gilt aus Sicherheitsgründen ein Badeverbot an der Neuen Donau – das wohl einige Tage aufrecht bleiben wird. (APA/mpm)

Chronologie: Große Überschwemmungen in Österreich

1991. Zubringer von Salzach, Inn und Enns zum Donauraum treten über die Ufer. Teile Niederösterreichs werden überschwemmt. Sechs Menschen sterben.

1994. Im Juli Gewitter über dem Osten Österreichs, die Schäden in Millionenhöhe verursachen.

1997. Von 4. bis 8. Juli wird Österreich vom „großen Regen“ heimgesucht. In Wien stehen zahlreiche Keller unter Wasser.

2002. Im August werden durch das Jahrhundert-Hochwasser in Österreich Schäden in einer Größenordnung von mehreren Milliarden Euro angerichtet. Betroffen sind Niederösterreich, Oberösterreich, die Steiermark, Salzburg und Tirol.

2005. Am 11. Juli Schäden durch Dauerregen in Salzburg. Mittersill im Pinzgau wird überflutet.

2005. Schwere Unwetter am 22. August in Westösterreich. Die Verkehrsverbindungen zwischen Tirol und Vorarlberg müssen gesperrt werden.

2006. Am 3. April bricht bei Jedenspeigen (Bezirk Gänserndorf) der Damm der March. Die halbe Gemeinde Dürnkrut muss evakuiert werden.

2006. Extreme Regenfälle führen Ende Juni zu extremem Hochwasser im nördlichen Waldviertel.

2007. Wegen enorm starken Regens tritt in Steyr die Enns, in Klosterneuburg die Donau über die Ufer. Lilienfeld wird zum Katastrophengebiet erklärt.

2009. Ende Juni und Anfang Juli führen immer wieder Niederschläge zu Überschwemmungen und prekären Situationen im Osten und Südosten.
2012. Regenfälle, Hagel und Sturm führen im Juli vor allem in der Obersteiermark zu Verwüstungen.

2013. Hochwasserwelle im Juni in Vorarlberg, Tirol und Salzburg, danach bewegen sich die Fluten Richtung Osten. Donau und Enns treten über die Ufer.

2018. Der Bezirk Lienz ist Ende Oktober nach Starkregen nicht erreichbar. In Kärnten werden mehrere Ortschaften von der Umwelt abgeschnitten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2021)

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