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"Fast and the Furious 9": Action-Krawall mit verlorenem Sohn

Universal
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Der neunte Teil der Reihe blickt mehr zurück als nach vorn – und versucht Jungs-aus-dem-Viertel-Pathos mit postmodernem Augenzwinkern zu verbinden.

Ist es wirklich eine gute Idee, einen getunten Sportwagen per angeklebter Rakete ins Weltall zu schießen? „Solange wir die Gesetze der Physik befolgen, wird es uns gut gehen“, beruhigt ein Protagonist von „Fast and Furious 9“. Was impliziert, dass Naturgesetze letztlich doch Verhandlungssache sind. Im Kern folgt die mit jedem Film durchgeknalltere Action der „Fast and Furious“-Reihe der Logik von Sandkisten-Spielen: Wir wissen, wie Autos sich normalerweise über Straßen bewegen; aber wäre es nicht cool, wenn wir das rote auf einer klapprigen Brücke über eine Schlucht brettern lassen, sodass ihm die Bretter unter den Rädern wegbrechen? Und das blaue, könnte das nicht über dieselbe Schlucht an einem Stahlseil schwingen, wie Tarzan an seiner Liane?

Die Pointe der Filme besteht darin, dass solche Sandkistenspiele nicht von Kindern mit Spielzeugautos, sondern einer Kombination aus realen Auto-Stunts und Computeranimationen in Szene gesetzt werden – einem riesigen, sauteuren Produktionsapparat, der sich mit Haut und Haaren der Selbstinfantilisierung verschreibt. Die Idee, dass technologischer Fortschritt und menschliche Imaginationskraft zwangsläufig zu einer rational organisierten Welt führen, könnte man kaum besser widerlegen als damit.

Neu: ein verschollener Bruder

Wobei im Film selbst diesmal ohnehin eher zurück als nach vorne geblickt wird. Hauptgegnerin der schwer motorisierten Jungs und (diesmal etwas mehr) Mädels um das Muskelpaket Dom Toretto (Vin Diesel) ist wie in Teil 8 die Hackerin Cypher (Charlize Theron). Um deren auch diesmal eher wirren Welteroberungsplan zu vereiteln, wird unter anderem eine Figur reaktiviert, die in Teil 6 für tot erklärt worden war. Auch Doms Schwester Mia (Jordana Brewster), zuletzt gesichtet in Teil 7, kehrt zurück. Die wichtigste neue Figur entpuppt sich als beider verschollener Bruder Jakob (John Cena), mit dem Dom eine Rechnung aus Jugendtagen zu begleichen hat. Rückblenden ins Los Angeles der späten 1980er offenbaren den selbstverständlich ebenfalls benzinschwangeren Ursprung des Bruderkonflikts. Gleichzeitig lässt der Handlungsstrang Erinnerungen an den Anfang der Filmserie wach werden. Denn tatsächlich waren Dom und seine Crew in ihren ersten Kinoabenteuern nicht als multiethnisch ausdifferenziertes James-Bond-Superagententeam, sondern als Autodiebe und illegale Street Racer unterwegs.

Die für die Welt von „Fast and Furious“ zentralen Werte wie Treue, Ehre und vor allem Familie verweisen ebenfalls aus diesen Ursprung. Dass Dom und Anhang ihre romantisierte proletarische Straßenrhetorik auch dann nicht ablegen, wenn sie auf der Jagd nach bizarren Superschurken um die Welt jetten und Luxussportwagen wechseln wie andere Leute Unterwäsche, bringt eine reizvoll eigenwillige, skurrile Spannung ein – die aber jederzeit ins Lächerliche zu kippen droht, insbesondere wenn die Figuren sich, was in den neueren Filmen recht häufig geschieht, über die Absurdität des eigenen Handelns lustig machen. Jungs-aus-dem-Viertel-Pathos und postmodernes Augenzwinkern: Das passt nicht zusammen.

Teil 9 kriegt gerade noch die Kurve. Der Actionkrawall ist diesmal arg digital-beliebig, aber die Geschichte vom verlorenen Sohn bringt das Sentimentale zur Geltung; und wenn sich die harten Jungs auf der letzten, besonders wahnwitzigen Verfolgungsjagd melancholische Blicke zuwerfen, schlägt der akkumulierte Blödsinn wieder in echtes Drama um – wie damals in der Sandkiste.

Dennoch: Wenn das Vermächtnis der Vergangenheit sich als so viel packender erweist als die Herausforderungen der Gegenwart, ist es vielleicht an der Zeit, die Boliden dauerhaft in der Garage zu parken.

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