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Italien: Warum die Fünf Sterne nicht mehr fluchen dürfen

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Die Machtfehde innerhalb der größten Partei des Landes, der Fünf-Sterne-Bewegung, endete mit einem Waffenstillstand zwischen Beppe Grillo und Giuseppe Conte: Die Partei wird gezähmt und erhält sogar ein Statut. Aber mit der Justizreform bahnt sich schon die nächste Krise an.

Eine Mini-Revolution wirbelt gerade die Fünf Sterne durcheinander und ordnet sie neu. Denn die einst frechste Bewegung Italiens ist jetzt offiziell brav – nicht einmal deftiges Schimpfen ist noch erlaubt: Die Partei, die einst mit einem riesigen Stinkefinger die Piazze füllte und zum „V(affanculo)-Day“ (frei übersetzt: „Leck-mich-am-A . . .-Tag“) aufrief, verbietet nun Kraftausdrücke. „Aggressive Formulierungen sind mit Gewalttaten gleichzusetzen“, heißt es im neuen „Wertekatalog“, den Ex-Premier Giuseppe Conte am Wochenende vorstellte.

Dass Fünf-Sterne-Politiker öffentlich nicht mehr fluchen dürfen, wird besonders Parteigründer Beppe Grillo hart treffen. Die originell-derben Tiraden des Kabarettisten sind so eine Art Fünf-Sterne-Markenzeichen.

Aber diese Zeiten sind offensichtlich vorbei. Der Parteipräsident in spe, Conte, will die einstigen Rebellen zähmen. Sogar ein regelrechtes Parteistatut verpasste er der früher so stolz basisdemokratisch-anarchisch ausgerichteten Bewegung.

Den Plan einer virtuellen Basisdemokratie legte er ebenfalls vorerst auf Eis: Die Fünf Sterne bekommen sogar ein (analoges) Büro in Rom, so wie alle anderen Parteien der einst so verhassten „Kaste“ eines haben. Immerhin sind die Fünf Sterne stärkste politische Kraft, seit sie 2018 bei den Parlamentswahlen 32 Prozent der Stimmen erhalten haben.
Die Mitglieder sollen auch künftig zu zentralen politischen Entscheidungen befragt werden, heißt es aber. Offen ist, wie, da sich die Fünf-Sterne-Spitze gerade mit Davide Casaleggio, dem Gründer der Onlineplattform Rousseau, auf der Abstimmungen stattfanden, gestritten hat.

Ein Friedensmahl mit frischem Fisch

Dafür hat Conte mit Beppe Grillo eine Art Waffenstillstand geschlossen, der bei einem Mittagessen mit frischem Meeresfisch in Grillos toskanischer Sommervilla besiegelt wurde. Nach einem wochenlangen, zermürbenden internen Kampf, der die Bewegung zu spalten drohte, einigten sich die beiden auf eine Machtaufteilung. Dabei gab der Ex-Premier seine Pläne auf, Grillo zu einer Art symbolischen Figur mit wenig Kompetenzen zu degradieren: Das Parteistatut sieht vor, dass der „Garant“ (Grillo) weiterhin eine tragende politische Rolle spielt und „unbegrenzt“ im Amt bleibt. Er kann den Parteipräsidenten absetzen lassen und ist „Hüter des ideologischen Kurses“. Der Präsident wiederum ist für die politische Arbeit, Kommunikation und Umsetzung des Programms zuständig. Über Statut und Chefs sollen die Mitglieder Anfang August abstimmen.


„Das waren schwierige Monate. Aber die Bewegung startet mit neuem Schwung durch“, verbreitete Conte auf Facebook Optimismus. Sogar ein neues Logo ist geplant. Die Fünf Sterne haben Aufbruchsstimmung bitter nötig: Derzeit liegen sie in Umfragen bei mageren 15 Prozent, die Fehde kostete zusätzliche Stimmen. Durch das salonfähigere Image hofft man, aus dem Tief herauszufinden und neue Wähler zu gewinnen.

Widerstand gegen Justizreform


Doch der nächste Sturm bahnt sich schon an: Der Pakt ist wackelig. Auch beim langen Friedensmahl konnte das viele zerbrochene Porzellan nicht gekittet werden, zwischen Grillo und Conte bleibt das Misstrauen groß. Zudem hat der Streit den Riss zwischen Pragmatikern und „Radikalen“ innerhalb der Bewegung nur vergrößert.


Das alles wird immer mehr zur Belastung für die Regierung von Mario Draghi, in der die Fünf Sterne stärkste Partei sind. Die nächste Bewährungsprobe steht bereits an. Im Parlament soll bis Monatsende die Justizreform verabschiedet werden, das ist Voraussetzung für die Auszahlung von EU-Coronahilfen. Durch die Reform sollen Prozesse verkürzt werden: Ein Strafverfahren dauert in Italien durchschnittlich fünf Jahre, ein zivilrechtlicher Prozess sieben. Rom hat sich verpflichtet, die Dauer von Strafprozessen um mindestens 25 Prozent, die von Zivilprozessen um 40 Prozent zu verringern.


Die „Grillini“ stellen sich aber gegen die Reform quer, sie befürchten die Wiedereinführung der Verjährung für Korruptionsdelikte, die Abschaffung gehörte zu ihren Erfolgen. Ohne Fünf Sterne hat die Reform aber kaum Chancen auf eine Mehrheit. Am Montag traf Conte Draghi, er zeigte sich konziliant: Man werde „konstruktive Veränderungen“ vorschlagen. Viel Zeit bleibt ihm nicht.

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