Verfassung

VfGH: Corona-Regeln für Begräbnisse unverhältnismäßig

Symbolbild: Gräber
Symbolbild: Gräber(c) Clemens Fabry, Presse
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Die Testpflicht für die Ausreise aus Tirol im Frühjahr war gesetzeskonform. Auch das Verbot von "Click and Collect" sei verhältnismäßig gewesen, befindend die Höchstrichter.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat mehrere Entscheidungen über Beschwerden im Zusammenhang mit den türkis-grünen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus getroffen. Stattgegeben haben die Höchstrichter einer Beschwerde über die pandemiebedingten Beschränkungen bei Begräbnissen. Die Vorgabe, dass maximal 50 Personen an einer Beisetzung teilnehmen durften, sei unverhältnismäßig gewesen, lautet das Erkenntnis des VfGH. Auswirkungen hat diese Entscheidung jedoch keine mehr. Denn: Die zweite Covid-19-Notmaßnahmenverordnung, in der diese - nun für verfassungswidrig erklärte - Bestimmung enthalten war, ist nicht mehr in Kraft.

Eingebracht hatte die Beschwerde eine Oberösterreicherin - sie konnte am Begräbnis ihrer Tante nicht teilnehmen. Konkret hatte sie Teile der Verordnung angefochten, die ab 26. Dezember 2020 für einige Wochen in Kraft gewesen war. Die Beschränkung war, so der VfGH, bei gesamthafter Betrachtung unverhältnismäßig: Zwar verfolgte die Maßnahme legitime Ziele und war dazu auch geeignet, jedoch ist die letzte Verabschiedung von nahestehenden Verstorbenen weder wiederhol- noch substituierbar und stellt daher einen besonders schweren Eingriff in das Recht auf Privatleben dar.

Regeln für körpernahe Dienstnehmer gerechtfertigt

Das Verbot des Betretens respektive Befahrens des Kundenbereichs von Betriebsstätten zur Inanspruchnahme von körpernahen Dienstleistungen wie beispielsweise Massage - die Oberösterreicherin hatte auch dieses angefochten - erachteten die Höchstrichter hingegen im Hinblick auf die damaligen epidemiologischen Verhältnisse als sachlich gerechtfertigt. Gleiches gilt für die ab 26. Dezember 2020 geltende ganztägige Ausgangsregelung.

Die Testpflicht für die Ausreise aus Tirol bzw. aus den Tiroler Bezirken Kufstein und Schwaz im Februar bzw. März 2021 war ebenfalls gesetzeskonform, befand der VfGH. Das Gericht hat Anträge mehrerer Einzelpersonen sowie des Landesverwaltungsgerichtes Tirol, die dies infrage gestellt hatten, abgewiesen. Diese Einschränkung des Rechts auf Freizügigkeit war zum Schutz vor der Verbreitung bestimmter Virusvarianten ("südafrikanische" bzw. "britische" Mutation) verhältnismäßig.

Abgewiesen wurde auch ein Antrag des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich auf Feststellung, dass die Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes im Kundenbereich in geschlossenen Räumen in Betriebsstätten gesetzwidrig war. Diese Bestimmung war vom 14. bis einschließlich 20. September 2020 in Kraft. Ein ähnlicher, früherer Antrag des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich bezog sich auf die Stammfassung der Covid-19-Lockerungsverordnung, auf Grund derer im Mai 2020 eine Maskenpflicht im Handel gegolten hatte. In diesem Fall hatte es der Gesundheitsminister verabsäumt, nachvollziehbar festzuhalten, warum er die im Handel geltende Maskenpflicht für erforderlich hielt. Diese Bestimmung war daher gesetzwidrig. Nun hatte das Ministerium jedoch hinreichend dargelegt, auf Grund welcher Umstände die strittige Regelung erfolgt ist, diese Maskenpflicht verstieß daher nicht gegen das Covid-19-Maßnahmengesetz.

Eingriff in Erwerbstätigkeit verhältnismäßig

Erfolglos blieb ein Antrag, mit dem die Handelskette IKEA das Verbot des Betretens und des Befahrens des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels und damit auch das Verbot von "Click and Collect" im November 2020 angefochten hatte, also das Abholen bereits bezahlter Ware. Der VfGH stellte fest, dass der mit dem Verbot verbundene Eingriff in das Grundrecht der Erwerbsfreiheit bzw. in das Eigentumsgrundrecht angesichts der epidemiologischen Lage verhältnismäßig war, zumal das angefochtene Verbot nur für einen Zeitraum von zehn Tagen galt und der Onlinehandel zu keinem Zeitpunkt untersagt war.

Der VfGH verweist in der Entscheidung auch darauf, dass der Gesundheitsminister zuvor noch versucht hatte, die Verbreitung von Covid-19 durch die Anordnung gelinderer Maßnahmen zu verhindern. Zudem wurde von den Richtern keine unsachliche Ungleichbehandlung darin erkannt, dass im gleichen Zeitraum die Abholung von Speisen und Getränken erlaubt war, da deren ständige Verfügbarkeit als Güter der Grundversorgung essenziell ist. Einer ähnlichen Beschwerde eines Papier- und Schreibwarenhandel wurde ebenfalls nicht stattgegeben.

Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass türkis-grüne Corona-Maßnahmen vom Verfassungsgerichtshof aufgehiben werden: Im Juli und im Oktober des Vorjahres wurde etwa der von der Bundesregierung in Lokalen vorgeschriebene Mindestabstand von einem Meter zwischen Tischen als rechtswidrig erachtet. Ebenfalls gekippt wurde das Betretungsverbot öffentlicher Orte – sowie eine Verhältnismäßigkeitsprüfung angeordnet.

(APA/Red.)

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