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„Blood Red Sky“: Flugzeugentführer vs. Nosferatu

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In Peter Thorwarths Netflix-Horrorthriller „Blood Red Sky“ werden Pläne böser Hijacker von einer blutsaugenden Zivilistin durchkreuzt.

Aus irgendwelchen Gründen kommen deutsche Filmemacher recht schnell an amerikanische Gelder, wenn sie einen Flugzeugentführungsthriller drehen wollen. Zwei der bedeutendsten Genrebeiträge der letzten Jahrzehnte waren „Air Force One“ (1997), inszeniert vom Ostfriesen Wolfgang Petersen, und „Flightplan“ (2005), bei dem der Schwabe Robert Schwentke Regie führte. Zuletzt beackerte der in Niedersachsen geborene Patrick Vollrath das Rollfeld – mit seinem englischsprachigen Langfilmdebüt „7500“ (2019). Nun ist es der Dortmunder Peter Thorwarth (Ende der 1990er-Jahre dank seiner Gangsterkomödie „Bang Boom Bang“ als „Tarantino aus dem Ruhrpott“ gehandelt), der ein Hijacking-Spannungsstück mit US-Kofinanzierung vorlegt, welches außerdem noch ein Vampirhorrorfilm ist: „Blood Red Sky“, ab Freitag auf Netflix zu sehen.

An Bord: Eine Vampirin auf Blutentzug

Während sich Petersen mit „Das Boot“ für die Inszenierung beengender Innenräume empfohlen hatte, wo Schwentke aufgrund seines vertrackten Serienmörderkrimis „Tattoo“ wie die perfekte Wahl für einen Plot-Twister mit Jodie Foster gewirkt haben muss, passt Thorwarth nicht unbedingt ins Muster. Seine früheren Filme sind von schweinischen Kleinkriminellen bevölkert, die ihren Heimatort im Ruhrpott nie verlassen und dort bevorzugt mit dem Auto durch weite Industrielandschaften brausen. Der Durchschnittspassagier teurer Langstreckenflüge ist indes selten ein Prolet, für Roadmovie-Exkurse fehlt im Flieger der Platz. Dennoch teilt „Blood Red Sky“ mit „Bang Boom Bang“ den Hang zur expliziten Gewaltdarstellung – und ein Faible für triebhafte Charaktere.

Zunächst ist da die kalte Brutalität der mordlustigen Entführer. Vor allem der falsche Flugbegleiter (diabolisch: Alexander Scheer) lässt seine sadistischen Gelüste ungehindert an den Geiseln aus. Der perfide Plan der Gruppe sieht vor, das Flugzeug per Autopilot in ein Regierungsgebäude zu steuern – und alles einem unschuldigen Moslem aus Berlin (Kais Setti) in die Schuhe zu schieben. Vom falschen Terroranschlag versprechen sich die mit Fallschirmen ausgerüsteten Schurken unruhige Finanzmärkte und persönlichen Profit.

Die getarnte Vampirin Nadja (Peri Baumeister) betritt die Maschine als ahnungslose Zivilistin. Seit der Geburt ihres Sohnes ist sie ein Junkie auf kaltem Blutentzug, aus ihrer blassen Haut und den nervösen Augen spricht der innere Kampf mit der Abhängigkeit. Notgedrungen mutiert sie während der Entführung zum Nosferatu zurück. Ihr Feldzug gegen die Gauner bricht erst ab, als ihr virales Blut die Runde macht – und der cleane Thriller vollends zum ebenso dreckigen wie wirkungsvollen Horrorschocker geworden ist. Anders als bei Petersen und Schwentke verschwimmen durch die Ansteckung die Unterschiede zwischen Tätern und Opfern: Hier kämpft nicht nur ein zähes Individuum gegen ein paar Böse, sondern jeder gegen jeden. Obwohl dem düsteren Genre-Hybrid ein bisschen Humor (und weniger Melodramatik in sentimentalen Momenten) nicht geschadet hätte, sorgt er durchaus für die erwünschten Turbulenzen – dramaturgisch wie emotional. Nicht übel für einen Quereinsteiger wie Thorwarth.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2021)

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