Zentralasien

Usbekistan: Ein autoritäres Regime verordnete sich liberale Reformen

Archivbild vom 23. Mai 2021 während der Parade anlässlich des Blumenfestes in der Stadt Namangan in Usbekistan.
Archivbild vom 23. Mai 2021 während der Parade anlässlich des Blumenfestes in der Stadt Namangan in Usbekistan.REUTERS
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Usbekistan, eine weltoffene Regionalmacht? Ministerpräsident Mirsijojwe versucht eine „Öffnung des Landes“, die auch westliche Diplomaten anerkennen. An vielen Strukturen hat sich freilich wenig verändert.

Fünf Jahre nach dem Machtwechsel und kurz vor erneuten Präsidentenwahlen im zentralasiatischen Usbekistan hat Staatschef Schawkat Mirsijojew sein Land dieser Tage bei einer Konferenz als weltoffene Regionalmacht positioniert. Ambitionierte innere Reformen sind indes noch nicht abgeschlossen, Liberalisierungen haben jedoch auch für Regimekritiker zu positiven atmosphärischen Veränderungen geführt. Von einer Demokratie westlichen Zuschnitts kann freilich keine Rede sein.

Als der langjährige Ministerpräsident Mirsijojew nach dem Tod des äußerst autoritär regierenden Islam Karimow im September 2016 an die Macht kam, prognostizierten Skeptiker, dass sich in und für Usbekistan damit nur wenig verändern würde. Sie wurden eines Besseren belehrt.

Westliche Diplomaten sprechen mittlerweile von einer "Öffnung des Landes" und Reformen haben etwa den schwer berechenbaren Devisenschwarzmarkt verschwinden lassen. Auch ist das unter Karimow verbreitetes Klima der Angst verschwunden und der Geheimdienst hat einstweilen aufgehört, kritische Intellektuelle und Künstler zu drangsalieren.

Vergangenheitsbewältigung gibt es nicht

An vielen Strukturen hat sich freilich wenig verändert, problematische Funktionäre der Ära Karimow sind weiter im Amt und eine Vergangenheitsbewältigung dieser Zeit ist ausgeblieben. Auch Mirsijojew selbst regiert eher im Stil eines autoritären Ersten Parteisekretärs aus der Sowjetzeit, dessen Meinung nahezu Gesetzeskraft hat. Für eine ernstzunehmende Opposition, die durch Wahlen an die Macht kommen könnte, gibt es derzeit keine Indizien.

Freilich agiert das nunmehr 64-jährige Staatsoberhaupt, dessen Wiederwahl im Oktober als so gut wie sicher gilt, liberaler und pragmatischer als sein Vorgänger. Dies erlaubte etwa die Lösung von Konflikten mit zentralasiatischen Nachbarstaaten, was für die gesamte Region wirtschaftliche Chancen eröffnete.

„Klar gibt es Korruption"

Mit großen Infrastrukturprojekten wolle er gemeinsam mit Partnern in Zentral- und Südasien nun auch zur Befriedung seines südlichen Nachbarlands Afghanistans beitragen, verkündete Mirsijojew vergangene Woche auf einer internationalen Konferenz in Taschkent. Das Regime vermied gleichzeitig, sich an einer privilegierten Großmacht auszurichten und zeigt Bemühungen, ausgezeichnete Kontakte in die gesamte Welt zu knüpfen. Auch Österreich wird von usbekischer Seite umworben.

Neu ist auch, dass offen über Probleme gesprochen wird: "Klar gibt es Korruption, klar gibt es Freunderlwirtschaft. Aber wir versuchen, dagegen vorzugehen", sagte Präsidentenberater Akromschon Nematow der Austria Presse Agentur. Man müsse aber die Balance halten und könne nicht von einem auf den anderen Tag alles umwerfen, sagte er.

Unübersehbar läuft ein großer Umbau und die Republik mutet derzeit wie eine einzige große Baustelle an. Armeen von Bauarbeitern errichten trotz sommerlicher Hitze nicht nur überdimensionale Wohnbauten oder touristische Objekte etwa im Schigebiet Amirsoy. Eine Autostunde von Taschkent entfernt werden auf einer Bergspitze, die seit 2018 mit Gondeln des Vorarlberger Seilbahnherstellers Doppelmayr erreicht werden kann, noch Après-Ski-Hütten für die Wintersaison finalisiert.

Mehrere Großprojekte in Bau

Gleichzeitig wird mit Hochdruck an ideologisch motivierten Großprojekten gearbeitet: Am Stadtrand von Taschkent entsteht auf mehr als 100 Hektar der riesige Themenpark "Neues Usbekistan", der von der Eigenstaatlichkeit sowie den Zielen einer "Dritten Renaissance" erzählen soll. Dieses pathetische Wording Mirsijojews wird von Kritikern belächelt, der Präsident will damit jedoch an progressive Vordenker und Herrscher erinnern, die in zwei Blütezeiten im Mittelalter wirkten und dem heutigen Usbekistan faszinierende Stätten in Taschkent, Samarkand, Buchara oder Chiwa hinterlassen haben.

In der Hauptstadt steht am Rande eines Moscheenviertels zudem bereits der Rohbau des "Zentrums für islamische Zivilisation", das architektonisch einer großen Moschee nachempfunden ist. Laut einem aktuellen Präsidentenerlass soll auch diese Institution eine vorrangige propagandistische Funktion erfüllen. Es gelte mit lokalen Traditionen für einen "aufgeklärten und friedliebenden Islam" zu werben und mit Aufklärung gegen das Obskurantentum radikaler Kräfte zu kämpfen, erläuterte der APA ein Vertreter des Zentrums bei einer Baustellenbesichtigung.

Sorge vor Islamisierungstendenzen

Während die Regierung einerseits auf Aufklärungskampagnen setzt, reduzierte sich andererseits als Komponente einer politischen Liberalisierung zuletzt aber auch der Druck auf konservative und teils auch islamistisch orientierte Teile der Bevölkerung merklich. Nachdem etwa Verschleierung aufgehört hatte, eine Verwaltungsübertretung zu sein, nahm sie bei Frauen sichtlich zu. Männer sekundierten mit einschlägigen Bärten, die ebenso als Marker für Islamisierungstendenzen gelten dürfen. Säkular orientierte Usbekinnen und Usbeken sind angesichts dieser Entwicklung verstört und fürchten mittelfristige Konsequenzen für Meinungsfreiheit und Frauenrechte.

Mirsijojews Reformideen selbst beschränken sich freilich nicht nur auf eine Modernisierung der usbekischen Kulturgeschichte. Neben wirtschaftlichen Fragen konzentrieren sie sich insbesondere auf den Ausbau und die Verbesserung des Bildungssystems im äußerst kinderreichen Land: 60 Prozent der etwa 34 Millionen Usbekinnen und Usbeken sind jünger als 30 Jahre alt, knapp zehn Prozent sind im Kindergartenalter. 2017 schuf die Regierung deshalb ein eigenes Kindergartenministerium, das eigenen Angaben zufolge in der betreffenden Altersgruppe innerhalb von vier Jahren den Anteil der Kindergartenkinder von 28 auf 62 Prozent erhöhte.

Jugend als Schlüssel

Dass es im Land so viele junge Menschen gebe, sei in erster Linie ein Vorteil, erläuterte Präsidentenberater Nematow. "Es kann aber auch zur Gefahr werden, wenn man mit dieser Jugend nicht arbeitet und keine Möglichkeiten für sie schafft", sagte er. Jugendliche wollten sich am Gesellschaftsleben und der Staatsverwaltung beteiligen, sie wollten von der Wirtschaft profitieren und auch mehr Freiheiten erhalten, erläuterte der Berater.

Nematow betonte, dass dafür auch praktische Schritte unternommen worden seien. Konkret er nannte er die Errichtung eines Jugendparlaments sowie einer staatlichen Agentur für Jugendfragen.

Compliance-Hinweis

Diese Berichterstattung erfolgt im Rahmen einer Pressereise auf Einladung der usbekischen Botschaft in Wien. Die Reisekosten werden zur Gänze vom Veranstalter getragen, die Berichterstattung erfolgt unter unabhängiger redaktioneller Verantwortung der Redaktion der Austria Presse Agentur.

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