Spionage

Endete die Flucht von Prinzessin Latifa wegen "Pegasus"-Spionage?

Sheikha Latifa (rechts) auf einem Bild mit ihrer Freundin Sioned Taylor, deren Telefonnummer ebenfalls auf der NSO-Liste auftaucht.
Sheikha Latifa (rechts) auf einem Bild mit ihrer Freundin Sioned Taylor, deren Telefonnummer ebenfalls auf der NSO-Liste auftaucht.via REUTERS
  • Drucken

Auf den aufgetauchten Liste möglicher NSO-Kunden, tauchen auch Telefonnummern von Freundinnen von Prinzessin Latifa auf, kurz bevor deren Flucht gestoppt wurde. Gibt es hier einen Zusammenhang?

Staatschefs, Menschenrechtsaktivisten - und auch Menschen auf der Flucht wurden mutmaßlich Opfer der Spionagesoftware „Pegasus“. Wie die britische Zeitung „Guardian“ berichtet, könnte die Überwachungstechnologie auch Prinzessin Latifa, der Tochter von Scheich Mohammed bin Rashid al-Maktoum, Emir von Dubai und Ministerpräsident der Vereinigten Arabischen Emirate, zum Verhängnis geworden sein. Nach ihrem Fluchtversuch 2018, bei dem Latifa gestoppt und gewaltsam nach Dubai zurückgebracht wurde, zeigten sich Menschenrechtsaktivisten besorgt. In Video-Botschaften sagte die Prinzessin, sie werde in einer Villa wie in einem Gefängnis festgehalten. Die Herrscherfamilie Dubais erklärte dagegen, Latifa werde von ihrer Familie und medizinischem Personal betreut.

Dass sie auf der Flucht vor ihrem Vater weiterhin Bilder auf Instagram postete und Nachrichten per Whatsapp versendet hatte, könnte ihren Verfolgern geholfen haben - nagelneue Wegwerf-Telefone mit Prepaid-Karten zum Trotz. Auf dem Höhepunkt des Fluchtdramas, so wurde jetzt bekannt, tauchten die Handynummern von Latifa und einiger ihrer Freunde in der Heimat in einer Datenbank auf, die nun im Zentrum der Recherchen von mehreren Medien wie dem „Guardian“ stehen.

2002 hatte die Prinzessin schon einmal einen Fluchtversuch unternommen, der jedoch fehlschlug. 2018 wollte sie die Planung verbessern und bereitete ein Video vor, das im Internet veröffentlicht werden sollte, falls auch der neue Versuch scheitern sollte. Latifa beschrieb darin Misshandlungen und Folter zwischen 2002 und 2005. Ihr Entführer sollen gedroht haben: „Dein Vater hat gesagt, wir sollen dich schlagen, bis wir dich töten“.

An Latifas Seite auf der Flucht-Yacht „Nostromo" waren ihre beste Freundin und Vertraute, Tiina Jauhiainen und Hervé Jaubert, ein ehemaliger französischer Spion, der das Schiff als Kapitän führte. Latifa und Jauhiainen glaubten Recherchen des „Guardians“ zufolge, dass ihre Kommunikation über den Satelliten-Uplink der Yacht sicher war. Sie hatten einige Vorsichtsmaßnahmen getroffen: Jaubert hatte das Ortungsgerät des Schiffes ausgeschaltet und ihre Telefone waren neu, mit brandneuen Sim-Karten.

Latifa und Jauhiainen begannen ihre Flucht am 24. Februar. Einen Tag später, am 25. Februar, tauchte Latifas Telefon in der Liste der nun durchgesickerten Daten auf. Vier Tage Lang war die Yacht auf Hoher See unterwegs in Richtung Indien. Am 28. Februar, begannen die Nummern einiger von Latifas Freundinnen auf der Liste aufzutauchen, von der laut „Guardian“ feststeht, dass sie aus Dubai kam.

Chat mit Freundin: „Bin mir nicht sicher, ob das Sioned ist"

Auf der Yacht, so erinnert sich Jauhiainen, die im April mit dem „Guardian" gesprochen hat, habe Latifa zwei Freundinnen eine Nachricht geschickt. Eine Freundin habe nicht geantwortet, aber Jauhiainen erinnere sich daran, dass die Prinzessin mit Sioned Taylor gechattet habe, während sie an Bord waren. An einem Punkt soll Latifa sogar misstrauisch gewesen und gesagt haben: "Ich bin mir nicht sicher, ob das Sioned ist", aber die Kommunikation ging weiter.

Die Datenbank der geleakten Telefonnummern zeigt, dass das Mobiltelefon jener Freundin wiederholt aufgelistet wurde - am 1. und 2. März und wieder an dem Tag, an dem Latifa gefangen genommen werden sollte, am 4. März. Auch die Nummer der anderen Freundin tauchte erneut auf, am 2. März.

Flucht endete wenig später

Ohne forensische Untersuchung der Telefone ist es allerdings nicht möglich zu sagen, ob versucht wurde, die Geräte zu infizieren, oder ob ein Infektionsversuch erfolgreich war. Die Flucht wurde jedenfalls mit dem Beginn des März' schwieriger, als Jaubert ein Schiff bemerkt haben will, dass ihnen folgte, auch Aufklärungsflüge sollten folgen. Am späten Abend des 4. März endete die Flucht weniger als 50 Kilometer vor der Küste durch einen Einsatz indischer Kommandosoldaten. Die Aktion soll Indiens Premier Narendra Modi auf Bitten Dubais genehmigt haben. Die Prinzessin wurde nach Dubai zurückgebracht.

Die Firma NSO, die Kunden mit der umstrittenen Software „Pegasus“ beliefert, bzw. diese betreut, bestreitet generell, dass es sich bei der durchgesickerten Liste von Nummern um "Pegasus-Ziele oder potenzielle Ziele" handelt. Die Nummern stünden in keinem Zusammenhang mit dem Unternehmen. Die Behauptung, dass ein Name auf der Liste "zwangsläufig mit einem Pegasus-Ziel oder einem potenziellen Ziel in Verbindung steht, ist falsch und unzutreffend".

Seit 2018 kein Lebenszeichen

Die Vereinten Nationen warten immer noch auf ein Lebenszeichen der mutmaßlich von ihrer Familie in Dubai festgehaltenen Prinzessin Latifa. Nach Gesprächen mit Vertretern der Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate könne er "über keine nennenswerten Fortschritte berichten", sagte der Sprecher des UN-Menschenrechtsbüro (OHCHR), Rupert Colville, im April. Die Frage, ob das OHCHR Hinweise erhalten habe, dass die 35-Jährige noch lebt und es ihr gut geht, verneinte er.

Ein mutmaßliches Foto von Latifa am Flughafen von Madrid Ende Mai hat zu neuen Spekulationen geführt. Das bei Instagram veröffentlichte Foto soll die 35-Jährige an der Seite ihrer Freundin Sioned Taylor zeigen, jene Frau, der sie auch auf der Flucht Nachrichten geschrieben hat. Im Hintergrund soll ein Terminal des Madrider Flughafens zu sehen sein. "Toller Europa-Urlaub mit Latifa. Wir haben Spaß beim Entdecken!", schrieb Taylor zu dem Foto mit einem lachenden Smiley. Beide trugen Mundschutz. Einen weiteren Beleg für etwaige neue Freiheiten der Prinzessin gibt es aber nicht.

>> Der Artikel im „Guardian"

(klepa)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Pegasus-Affäre

Macrons Smartphone als Spionageziel, auch österreichische Nummern auf Liste

Auch das Handy von Frankreichs Präsidenten steht auf der Liste möglicher Angriffsziele. „Presse“-Informationen zu österreichischen Nummern wurden bestätigt.
Wurde Frankreichs Präsident Macron ausgespäht?
Überwachungsskandal

Auch Macron womöglich mit Pegasus-Software ausgespäht

Pegasus nutzt Sicherheitslücken in Smartphone-Software, um weitreichenden Zugriff auf Daten zu erlangen. Der Elyseé-Palast will "Licht ins Dunkel bringen."
Interview

Überwachter Journalist: „Das muss in der EU eine rote Linie sein“

Der ungarische Investigativjournalist Szabolcs Panyi wurde mit einer israelischen Software ausspioniert. Warum er den ungarischen Staat hinter dem Angriff vermutet, es vielleicht auch österreichische Nummern auf der Liste gibt und er sich nun wieder handschriftliche Notizen macht.
Überwachung

Pegasus: Wie weltweit Journalisten ausspioniert wurden

In Handys von Reportern und Aktivisten in Ungarn, Saudiarabien oder Frankreich wurde eingebrochen. Österreich setzt die dafür notwendige Software nach eigenen Angaben nicht ein.
Symbolbild.
"Pegasus"

"Nie da gewesener Überwachungsskandal": Aufklärung gefordert

Ein internationales Recherche-Team zeigt auf, wie Geheimdienste und Polizeibehörden offenbar weltweit Cyberwaffen wie die Spionagesoftware "Pegasus" missbraucht haben, um damit Journalisten, Menschenrechtsaktivisten, Anwälte und Politiker zu überwachen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.