Umweltschutz

"Widerspruch zu Wissenschaft": Klimaforscher weisen Aussagen von Kurz zurück

Man stehe "jedenfalls gerne für einen fachlichen Austausch mit dem Bundeskanzler zur Verfügung", so das Netzwerk der österreichischen Klimaforscherinnen und -forscher.
Man stehe "jedenfalls gerne für einen fachlichen Austausch mit dem Bundeskanzler zur Verfügung", so das Netzwerk der österreichischen Klimaforscherinnen und -forscher.APA/HELMUT FOHRINGER
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Der Bundeskanzler hatte behauptet, die Bekämpfung des Klimawandels sei auch ohne Verzicht möglich, vielmehr müsse auf Innovation und Technologie gesetzt werden. Das Climate Change Centre Austria (CCCA) will das so nicht stehen lassen.

Die Aussagen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) über die Bewältigung der Klimakrise sorgten nicht nur für Widerspruch beim grünen Koalitionspartner, sondern auch von führenden Klimaforschern. Das Climate Change Centre Austria (CCCA), das Netzwerk der österreichischen Klimaforscherinnen und -forscher, weist die Behauptung von Kurz, wonach die Klimakrise nur durch Technologie und Innovation zu lösen sei und die Menschen auf nichts verzichten müssten, entschieden zurück.

Man nehme zwar "mit Freude" zur Kenntnis, "dass der Herr Bundeskanzler nun inhaltlich in die Klimadebatte einsteigt". Seine Aussagen in Bezug auf die Klimakrise stünden jedoch in Widerspruch zu internationalen und nationalen wissenschaftlichen Studien. Nach diesen stünde vielmehr fest, dass Technik und Innovation alleine die Klimakrise nicht lösen können, sondern zusätzlich soziale Innovation und vor allem geeignete politische und rechtliche Rahmenbedingungen notwendig sind.

"Gerne befassen wir und die CCCA Wissenschafter_innen uns aber mit jenen Studien und den eventuell darin enthaltenen neuen Erkenntnissen, auf deren Basis Bundeskanzler Kurz seine Aussagen gemacht hat, wenn er sie uns zur Verfügung stellt", hieß es süffisant weiter. Ein entsprechendes Angebot sei an Kurz ergangen, man stehe "jedenfalls gerne für einen fachlichen Austausch mit dem Bundeskanzler zur Verfügung".

Klimaschutz heißt nicht „zurück in die Steinzeit"

Auch bedeute Klimaschutz keineswegs ein Weg "zurück in die Steinzeit", schrieben die Experten weiter. Vor diesem hatte der Bundeskanzler zuvor gewarnt. „Im Gegenteil“, betonte nun das CCCA, Ziel sei, "innerhalb der ökologischen Grenzen des Planeten zu bleiben, um unsere Lebensgrundlagen zu erhalten und Lebensqualität zu sichern". Das sei jedoch nicht möglich, ohne den Druck auf die natürlichen Ressourcen zu reduzieren. Das werde auch Gewohnheitsänderungen erfordern, nicht aber notwendigerweise Verzicht.

Ohnehin könne der Wirtschaftsstandort Österreich nur auf diese Weise langfristig gesichert werden. Die Bewältigung der Klimakrise sei "vielfältig und komplex" und werde auch nur in einem breiten gesellschaftlichen Prozess gelingen, bei dem alle - Politik, Industrie und Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft - an einem Strang ziehen, so das CCCA.

Maurer: Kanzler hat noch nicht den Ernst der Lage erkannt

Auch Grünen-Chefin Sigrid Maurer hatte das „Steinzeit"-Argument aufgegriffen. Im Gespräch mit der „Kleinen Zeitung“ bekräftigte sie am Freitag (Online-Ausgabe) ihre Aussage vom Vortag, wonach wiederum jener in der Steinzeit lebe, der glaube, die Klimakrise sei bewältigen, ohne etwas zu verändern.

Mitreden bei Lobautunnel & Co.: Können wir die Klimakrise ohne Verzicht bewältigen?

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In Richtung des Kanzlers meinte sie: „Ich habe den Eindruck, dass er noch nicht erkannt hat, wie drängend das Problem in der Bevölkerung ist." Die Menschen in Österreich würden sich erwarten, „dass wir die Umwelt retten, nicht dass wir Naturschutzgebiete zubetonieren. Und sie sind auch bereit, einen Beitrag zur Veränderung zu leisten."

Gibt keine „Wundertechnologie"

Die „Wundertechnologie“ jedenfalls, die „unser System völlig unverändert lasst", werde es nicht geben, betonte auch Karl Steininger, Professor für Klimaökonomie in Graz, am Donnerstag im "Ö1"-Radio. Das bekräftigt auch Harald Rieder von der Universität für Bodenkultur in Wien: "Auf Basis der uns vorliegenden breiten wissenschaftlichen Studien ist ganz klar festzustellen, dass innerhalb der momentanen Wirtschaftsweise, sowie rein durch Innovation und Technologie, die Klimakrise nicht zu bewältigen ist."

Die "Fridays For Future"-Bewegung hat für den heutigen Freitag zu einer Demo vor dem Bundeskanzleramt am Ballhausplatz aufgerufen. "Extremwetter-Katastrophen, zuletzt die Überschwemmungen in weiten Teilen Österreichs, haben uns diesen Sommer auf schmerzhafte Weise die Klimakrise greifbar gemacht. Durch die Weitermachen-wie-bisher-Politik wird diese Gefahr nur noch verstärkt. (...) Die ÖVP muss aufhören, Klimaschutz zu blockieren und auf zukünftige Wundertechnologien zu warten. Die Zeit zu handeln ist jetzt", so Mirjam Hohl von "Fridays For Future" in einer Aussendung.

(APA/Red.)

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