Er wäre gerne Hitlerjunge geworden

In „Der versperrte Weg“ erzählt Georges-Arthur Goldschmidt die Geschichte seines Bruders.

„Die Menschen saßen anders in sich selber, mit anderen Bewegungen, mit veränderten Stimmen, die Möbel, die Teller, sogar Fenster und Türen enthielten den Krieg.“ Georges-Arthur Goldschmidt hat eine stechend-präzise Sprache für Körper, Dinge und Landschaften und erzählt seit Jahrzehnten in immer neuen Variationen, wie Krieg und Flucht sich darin eingravieren; und von der Angst, mit der sich ein Jude vor den Nationalsozialisten verstecken oder um sein Leben rennen muss. Die bisherigen Romane und Erzählungen sind aus dem Stoff seines eigenen Lebens geschrieben, und der nutzt sich nie ab, weil er immer wieder neu und anders erzählt wird. Es sind keine Ich-Erzählungen, denn der Autor blickt auf sich selbst wie auf eine fremde Figur, auch wenn sie seinen Namen trägt. Immer wieder neu hat Georges-Arthur Goldschmidt in unverwechselbarer Sprache von den Erinnerungen an seine Hamburger Kindheit und von der Emigration über Florenz in die französischen Hochalpen erzählt, vor allem aber von der Wollust des Bestraft-Werdens, nur darin spürte er sich existieren.

In seinem neuen Roman erzählt Goldschmidt die Geschichte seines Bruders, der mit ihm das rettende Frankreich erreichte und im autobiografischen Universum des Autors dennoch so auffällig abwesend war. Eine Frage des Verlegers hat die Schleusen geöffnet und einen einzigartigen Strom der Erinnerung fließen lassen, in dessen Mittelpunkt der ältere Bruder steht, der so gerne ein Hitlerjunge geworden wäre, als Jude jedoch davon ausgeschlossen war. Mit genauem psychologischem Blick nähert sich Goldschmidt dem Innenleben des Bruders an und radikalisiert die Perspektive seines bisherigen Werkes: Er misstraut den eigenen Erinnerungen und schreibt gegen sich selbst, wobei er die Distanz zu dem Kind, das er war, durch seinen deutschen Kindheitsnamen markiert: „Jürgen-Arthur war schlau genug, alles zu seinen Gunsten zu wenden, er war verlogen und heimtückisch.“

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