Der „Corona-Pass“ funktioniert technisch und läuft – wird aber vielerorts nicht kontrolliert.
Brüssel/Wien. „Rechtzeitig für den Sommer!“, jubelte Ursula von der Leyen am 1. Juli via Twitter. „Das EU-Covid-Zertifikat ist nun einsatzbereit. Holen Sie sich Ihres, um Ihre Reisen innerhalb der EU zu erleichtern. Europa sperrt wieder auf!“ Drei Wochen nach dieser Frohbotschaft der Präsidentin der Europäischen Kommission muss man feststellen: das Zertifikat funktioniert technisch – aber es trägt kaum dazu bei, die rasante Verbreitung der erstmals in Indien aufgetretenen Delta-Variante des Coronavirus zu bremsen. Denn vielerorts wird es schlichtweg nicht kontrolliert – allen voran auf dem Flughafen von Brüssel, zehn Kilometer vom Sitz der Kommission entfernt.
Fliegen ohne 3-G-Nachweis
Ein Lokalaugenschein der „Presse“ am Mittwoch ergab beispielsweise, dass sämtliche Flüge der polnischen staatlichen Linie LOT ohne Kontrolle des Zertifikats beim Einchecken abheben. „Wir prüfen nur, was die jeweilige Fluglinie uns aufträgt. Und das hängt davon ab, was das jeweilige Zielland verlangt“, sagte die Mitarbeiterin am Check-in-Schalter auf die Frage, ob sie das Covid-Zertifikat sehen wolle. Sie sei selbst darüber verwundert. Auch bei der Sicherheitskontrolle oder am Flugsteig gibt es keine Kontrolle. Somit kann man von Belgien nach Polen fliegen, ohne nachweislich geimpft, getestet oder genesen (3-G) zu sein – und das, obwohl Polen offiziell den Vorweis des Zertifikats vor der Einreise verlangt. Das betrifft übrigens auch zahlreiche andere Zielorte außerhalb Polens. LOT bietet von Brüssel beispielsweise Flüge nach Estland, Bulgarien, ins Baltikum oder Griechenland an, mit Umstieg in Warschau. Somit ist es möglich, dass ungeprüfte Covid-Erkrankte ihre Infektion quer durch Europa schleppen.