Corona-Politik

Demos in Brasilien: „Weg mit Bolsonaro“

In Brasilien heizt sich die Stimmung ein Jahr vor den Wahlen auf. Linke Gruppen, Gewerkschaften und Umweltschützer machen in den Städten des Landes gegen Jair Bolsonaro mobil.
In Brasilien heizt sich die Stimmung ein Jahr vor den Wahlen auf. Linke Gruppen, Gewerkschaften und Umweltschützer machen in den Städten des Landes gegen Jair Bolsonaro mobil.imago images/TheNews2
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Jedes Wochenende mobilisieren Gegner gegen den Präsidenten und sein Krisenmanagement.

Rio de Janeiro. Ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen in Brasilien stößt die umstrittene Corona-Politik Jair Bolsonaros auf immer stärkere Kritik: Samstag für Samstag gehen Zehntausende Gegner auf die Straße, um gegen den Präsidenten und sein irrlichterndes Corona-Krisenmanagement auf die Straße zu gehen. Zumal Bolsonaro und führende Ressortchefs wie jüngst der Verteidigungsminister in der Manier Donald Trumps bereits lang vor dem Urnengang Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Wahl säen und mit der Annullierung drohen.

Bei Demonstrationen im ganzen Land forderten die Gegner des Präsidenten am Wochenende ein Amtsenthebungsverfahren gegen Bolsonaro, mehr Impfungen gegen das Coronavirus und wirtschaftliche Hilfen in der Pandemie. Zu Protesten kam es in mindestens 27 Provinzhauptstädten, darunter Rio de Janeiro, São Paulo, Recife und Salvador sowie in der Hauptstadt Brasilia. Zu den Demonstrationen hatten Gewerkschaften und linke Gruppen aufgerufen, zumeist Sympathisanten des aus der Haft entlassenen Ex-Präsidenten Lula, der eine Gegenkandidatur angekündigt hatte.

„Amtsenthebung jetzt“

Auf Transparenten prangen Parolen wie „Bolsonaro – korrupter Völkermörder“, „Amtsenthebung jetzt“ und „Wir wollen Impfungen, er Schmiergeld. Weg mit Bolsonaro“. Größtenteils blieben die Demonstrationen friedlich. In São Paulo kam es am Rande zu Randalen, Demonstranten schlugen die Scheiben von Geschäften ein.

Die Zustimmung zu Bolsonaros Amtsführung nimmt indessen immer weiter ab. Anfang Juli lehnten 51 Prozent der Brasilianer die Politik des Präsidenten in einer Umfrage ab. Das war das schlechteste Ergebnis seit Bolsonaros Amtsantritt 2019. Die Regierung Bolsonaros hatte die Pandemie von Anfang an als „kleine Grippe“ verharmlost und stemmte sich unter Hinweis auf die wirtschaftlichen Folgen gegen harte Ausgangsbeschränkungen. Zuletzt zog Bolsonaro auch den Sinn von Impfungen in Zweifel. Mittlerweile prüft ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss Bolsonaros Krisenmanagement. Zugleich ermittelt die Justiz in einem Korruptionsfall im Zusammenhang mit der Corona-Politik, von der Günstlinge Bolsonaros profitiert haben sollen.

20 Millionen Infizierte

Brasilien gehört zu den am stärksten von der Coronapandemie betroffenen Ländern. Bisher haben sich fast 20 Millionen Menschen mit dem Virus infiziert. Jeden Tag kommen im Durchschnitt etwa 50.000 Neuinfektionen hinzu. Fast 550.000 Patienten sind gestorben. Nur die USA verzeichneten weltweit offiziell mehr Coronatote, in der Relation zur Bevölkerungszahl liegt Brasilien allerdings vor den USA.

In Brasilien sind seit Beginn der landesweiten Impfkampagne im Jänner mehr als 130 Millionen Impfstoffdosen verabreicht worden. Etwa 40 Prozent der erwachsenen Brasilianer haben eine Einzeldosis bekommen, rund 17 Prozent sind vollständig geimpft. Angesichts fehlender Impfdosen setzten die brasilianische Metropole Rio de Janeiro und andere wichtige Städte allerdings zuletzt erneut Erstimpfungen aus.

Die Kritik der Demonstranten reichte am Samstag allerdings über das Corona-Krisenmanagement hinaus. Unter anderem richteten sich die Proteste gegen die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen. Die Menschen verlangten zudem mehr Anstrengungen im Kampf gegen den Hunger und die Umweltzerstörung sowie die Achtung der Rechte indigener Völker. (ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2021)

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