Schlagabtausch

Türkis-grüner Klimastreit: Maurer nennt Kurz-Sager "absurd"

Sigrid Maurer und Sebastian Kurz
Sigrid Maurer und Sebastian Kurz APA/ROBERT JAEGER
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Dass der Kanzler vor einem "Klimalockdown" warnt, ist für die grüne Klubchefin unverständlich. Auch der Bundespräsident mischt sich in die Debatte ein - und erntet eine Schelte von der FPÖ.

Der türkis-grüne Streit über die Frage, wie dem Klimawandel begegnet werden soll, geht in die nächste Runde. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) hat im Interview mit der „Presse" Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wegen dessen Äußerungen in Sachen Klimapolitik scharf kritisiert. Letzterer verfolge ein „altes Denken“, meinte Kogler. Er habe den Eindruck, dass er sich „vielleicht zu viel mit Öl-Lobbyisten und Betonierern umgibt“. Via „Ö1“ legte nun die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer nach und nannte Kurz' Warnungen vor einem „Klimalockdown", den manche fordern würden, „absurd".

„Ich muss ehrlich sagen, ich verstehe nicht ganz, wovon der Kanzler spricht. Niemand fordert solche absurden Dinge", sagte Maurer im „Morgenjournal“. Es gehe nicht um Einschränkungen, sondern um den Ausbau klimafreundlicher Mobilität. Die Aussagen von Kurz zur S18 Schnellstraße in Vorarlberg, wonach die Straße unbedingt gebaut werde müsse, nannte Maurer "die persönliche Meinung des Kanzlers zu einer Straße in Vorarlberg". Die zuständige Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) habe einen Auftrag des Parlaments, hier Alternativen zu prüfen.

Die Retourkutsche aus der ÖVP kam umgehend vom Wirtschaftsbund. Generalsekretär Kurt Egger forderte die Grünen auf, endlich Klimaprojekte umzusetzen anstatt das Koalitionsklima aufzuheizen. Man könne den Eindruck gewinnen, die Grünen hätten "in der Sommerpause ihre Regierungsverantwortung vergessen. Statt die Fülle an innovativen Klimaprojekten anzugehen, begnügt man sich derzeit mit der abstrakten Diskussion um Klimaziel-Quoten, Unternehmerbashing und einer rechtlich fragwürdigen Evaluierung von bereits geprüften Infrastrukturprojekten", kritisierte Egger.

Van der Bellen: „Wissen, dass wir handeln müssen“ 

Die Neos forderten die Regierung auf, zu arbeiten und nicht zu streiten. Dafür sei sie auch gewählt worden, meinte der stellvertretende Klubobmann Niki Scherak. „Wir müssen beim Klimaschutz endlich Meter machen - mit dem gegenseitigen Ausrichten über die Medien muss Schluss sein", sagte Scherak in einer Aussendung.

Mitreden bei Lobautunnel & Co.: Können wir die Klimakrise ohne Verzicht bewältigen?

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Bundespräsident Alexander Van der Bellen hatte bei der Eröffnung der Salzburger Festspiele am Sonntag seinerseits klar Position bezogen: „Ich finde es falsch, Maßnahmen gegen die Klimakrise weiter hinauszuschieben und so zu tun, als würde diese von selbst vorbeigehen." Und: „Wenn wir ehrlich mit uns selber sind, wissen wir, dass es so nicht weitergehen kann. Und wir wissen, dass wir handeln müssen."

„Schockiert" über diese Aussage zeigte sich am Montag FPÖ-Obmann Herbert Kickl. In einer Aussendung bezeichnete er den Bundespräsidenten als "Propagandisten eine beinharten Klima-Diktatur". Für Kickl erhärtet sich der Eindruck, „dass die Corona-Politik dazu nur eine Vorstufe ist und abgetestet werden soll, was sich die Bürger von einem autoritären Technokratenregime alles gefallen lassen, das seine Politik alleine auf irgendwelche, meist sogar nicht nachvollziehbare Zahlen stützt - seien es nun irgendwelche Inzidenzen oder irgendwelche Kohlendioxid-Berechnungen".

Auf einen Blick

Ausgangspunkt des Koalitions-Scharmützels war der Auftrag von Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne), die Neubauprojekte der Asfinag bis Herbst zu evaluieren, was zu einem Aufstand der Länder führte. Neben dem Wiener Lobautunnel ist auch die Bodensee-Schnellstraße S18 in Vorarlberg davon betroffen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte sich in diesem Fall auf die Seite des Baubefürworters, Landeschef Markus Wallner (ÖVP), gestellt und bei seinem jüngsten Besuch in Vorarlberg gemeint, dass der Verzicht auf Mobilität und auf Individualverkehr nicht funktionieren werde. Er sei nicht der Meinung, "dass unser Weg zurück in die Steinzeit sein sollte". Und in Sachen S18 erklärte Kurz, das Projekt sei "schon lange versprochen und es muss auch durchgeführt werden."

(APA/Red. )

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