SPÖ und Regierung wollen Probleme mit Zuwanderern ernster nehmen: Wie genau und ob mit eigenem Staatssekretariat bleibt freilich unklar. Man sucht langfristig nach neuen Strategien im Umgang mit dem Thema.
Wien. „Die Ängste und Unsicherheiten der Menschen müssen ernst genommen werden, und es muss garantiert werden, dass die Einhaltung der Spielregeln kontrolliert wird.“ Die SPÖ hat erst heuer im Juni bei ihrem Bundesparteitag die Linie zur Integration festgeschrieben. Das massenweise Abwandern bisheriger roter Stammwähler in den Arbeiterbezirken und im Gemeindebau konnte das bei der Wiener Wahl am Sonntag nicht verhindern.
Nun wird von der SPÖ-Führung auf Bundesebene die Devise ausgegeben: Die Probleme der Menschen im Zusammenleben zwischen In- und Ausländern müssten noch ernster genommen werden. Nun ist diese Erkenntnis allerdings keineswegs neu: Ähnliche Aussagen gab es in den vergangenen 20 Jahren immer wieder nach verlorenen Wahlen – schon damals, als Jörg Haider mithilfe des Ausländerthemas in die Hochburgen der Sozialdemokratie eingebrochen ist.
Hilflose Antworten
In der SPÖ werden die alltäglichen Schwierigkeiten, mit denen Österreicher im Umgang mit Zuwanderern konfrontiert sind, zwar als Hauptgrund für den Erfolg der FPÖ angesehen. Nur was die Antworten darauf betrifft, wirkt die Kanzler-Partei nach wie vor einigermaßen hilflos. Klar ist lediglich: Die von der Wiener SPÖ eingeleiteten Maßnahmen (etwa mehr Hausmeister) sollen fortgesetzt werden.
Allerdings ist der Unmut der Österreicher über nicht integrationswillige Zuwanderer keineswegs auf die Bundeshauptstadt beschränkt. Mit ähnlichen Schwierigkeiten schlagen sich beispielsweise die SPÖ-Bürgermeister in Wels oder Traun in Oberösterreich herum. Die Stadtchefs fühlen sich gerade von der Bundespolitik vielfach im Stich gelassen.
Langfristig sucht die SPÖ nach einer neuen Strategie im Umgang mit dem Thema. Die soll Verteidigungsminister Norbert Darabos im Rahmen des Zukunftsprogramms SPÖ 2020 erarbeiten. Mit einer raschen Fertigstellung des Papiers ist allerdings nicht zu rechnen, Darabos hat Zeit bis 2013.
Sonst bleibt es bei recht allgemein gehaltenen Bemühungen: Die Budgetverhandlungen sollen genützt werden, um zusätzliche Mittel für Bildung – und da wiederum für Stützlehrer für Kinder ohne deutsche Muttersprache – zu finanzieren. Weitere Aktivitäten auf Bundesebene stecken noch fest: Im Zuge des neuen Fremdenpakets von Innenministerin Maria Fekter (ÖVP), das am 19.Oktober im Ministerrat beschlossen werden soll, ist zwar auf Drängen der SPÖ ein Bundesamt für Asyl und Migration paktiert. Dieses soll jedoch ebenfalls im Innenressort angesiedelt sein.
In der SPÖ wird deswegen die Forderung lauter, für die Integration von Ausländern ein eigenes Staatssekretariat außerhalb des Innenministeriums anzusiedeln. Dafür tritt etwa SPÖ-Sozialminister Rudolf Hundstorfer ein. Der Haken dabei: Dafür müsste das Bundesministeriengesetz geändert werden. In der ÖVP sieht man hingegen in einem neuen Posten in der Regierung keine Lösung der Probleme.
ÖVP-Generalsekretär Fritz Kaltenegger warnt im „Presse“-Gespräch auf die Frage nach einem Integrationsminister oder -Staatssekretär: „Nehmen wir die Steiermark als Beispiel her: Dort hat die FPÖ bei Weitem nicht das Ergebnis von Wien erreicht – obwohl es in der Bundeshauptstadt eine Integrationsstadträtin gibt.“ Und: „Mit Ämtern allein wird das Integrationsproblem nicht zu lösen sein.“
Innenministerin Fekter winkt ab
Innenministerin Maria Fekter wollte sich zu einem Staatssekretariat öffentlich nicht äußern. Aus dem Ressort war aber zu erfahren, dass sie sich dagegen entschieden zur Wehr setzen wird: Sie will die Kompetenzen für das Integrationsthema behalten. Schließlich ist der Hauptauftrag der ÖVP an Ministerin Fekter, bis zur nächsten Wahl den Freiheitlichen das Wasser abzugraben.
Auf einen Blick
Der FPÖ-Erfolg bei der Wiener Wahl am Sonntag wird vor allem als Zeichen des Protests vieler Wähler dagegen gesehen, dass Probleme der Österreicher im Zusammenleben mit Zuwanderern von der SPÖ-geführten Wiener Stadtregierung und von der rot-schwarzen Bundesregierung nicht beachtet werden. FPÖ-Spitzenkandidat Heinz-Christian Strache setzte auf eine harte Linie gegen Ausländer, die sich nicht integrieren wollen.
Die rot-schwarze Bundesregierung hat bereits in der Vergangenheit mit einem strengeren Fremdenrecht versucht, gegenzusteuern und damit auf Verluste bei früheren Landtagswahlen zu reagieren. Erst heuer im Winter wurde ein Nationaler Aktionsplan für Integration vereinbart. Konkrete Vorhaben, wie eine Rot-Weiß-Card für eine geordnete Zuwanderung von Ausländern nach einem Kriterienkatalog, sind jedoch nach wie vor ausständig.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2010)