Klimadebatte

"Wie bitte, Herr Kanzler?": Ex-Rektor widerspricht Kurz

Sebastian Kurz beim Austrian World Summit 2021 am 1. Juli.
Sebastian Kurz beim Austrian World Summit 2021 am 1. Juli. APA/AFP/ALEX HALADA
  • Drucken

Der Kanzler hält die Bekämpfung des Klimawandels ohne Verzicht für möglich. Ex-Rektor der TU Graz, Hans Sünkel, ist empört und pocht auf den „Verzicht auf Verzichtbares“.

Der langjährige Rektor der TU Graz , Hans Sünkel, hat den Aussagen von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zum Klimawandel energisch widersprochen. „Die Klimaziele werden wir nur dann erreichen, wenn eine starke Forcierung von Technologie und Innovation Hand in Hand geht mit der Verhaltensänderung unserer Gesellschaft in Form von bewusstem Verzicht auf Verzichtbares", schreibt Sünkel in einem Offenen Brief an Kurz, der in der „Kleinen Zeitung" erschienen ist.

„Als Person der Technik hat man naturgemäß ein ausgeprägtes Nahverhältnis zu Forschung und Entwicklung und somit zu Technologie und Innovation. Daher ist es für mich unbestritten, dass es massiver Anstrengungen in Technologie und Innovation braucht, um den Klimawandel in Schranken zu halten", hält der frühere Vorsitzende der Universitätenkonferenz fest. „Es ist jedoch sicher nicht der 'einzige Zugang', wie Sie das zur Klimapolitik dargestellt haben.“ 

Der Hintergrund: Kurz hält die Bekämpfung des Klimawandels ohne Verzicht, etwa hinsichtlich des Individualverkehrs, für möglich. „Der einzig richtige Zugang ist, auf Innovation und Technologie zu setzen“, hatte er betont. Und weiter: „Ich bin überhaupt nicht der Meinung, dass unser Weg zurück in die Steinzeit sein sollte.“ 

„Vergnügungen dieser Art halte ich für unbedacht“ 

Es gehe sehr wohl um Verzicht, und zwar auf Verzichtbares, konterte nun Sünkel. Und die Liste des Verzichtbaren sei lang: Der Konsum von Lebensmitteln, die den halben Erdball umrunden, bevor sie in unseren Mägen landen, die steigende Nachfrage nach energiehungrigen SUV ́s, Kreuzfahrten mit den fossilen, marinen Monstern, der schnelle vorweihnachtliche Shoppingtrip nach New York, der Flug zum Golfspielen nach Südafrika oder zum Heli-Skiing nach Kanada. „Verhaltensmuster und Vergnügungen dieser Art halte ich jedenfalls für unbedacht, und vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Klimadebatte für verwerflich.“

Mitreden bei Lobautunnel & Co.: Können wir die Klimakrise ohne Verzicht bewältigen?

>>> Hier geht's zum Forum

Es gehe darum, klimaschonendes Verhalten zu fördern und „gleichzeitig klimaschädigendes Verhalten durch entsprechende Rahmenbedingungen erschweren", fordert Sünkel.

„Und Sie, Herr Bundeskanzler, bezeichnen Verzicht salopp als 'Weg zurück in die Steinzeit'. Wie bitte?“, gab sich der Professor irritiert. „Das eine tun und das andere nicht lassen, Herr Bundeskanzler, das hat unser Zugang zur Klimapolitik zu sein und nicht eine eindimensionale Fokussierung auf Technologie und Innovation. In der Hoffnung, dass dieser verbale Ausrutscher 'Weg zurück in die Steinzeit' wohl nicht geplant, sondern in der Hitze des politischen wie auch hochsommerlichen Alltags ganz einfach passiert ist, empfehle ich dringend eine Klarstellung gegenüber unserer Bevölkerung und ein gekonntes Zurück zum Bild eines zukunftsorientierten 'Green Tech"-Kanzlers“, schließt er seine Stellungnahme.

(Red./APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Sigrid Maurer und Sebastian Kurz
Schlagabtausch

Türkis-grüner Klimastreit: Maurer nennt Kurz-Sager "absurd"

Dass der Kanzler vor einem "Klimalockdown" warnt, ist für die grüne Klubchefin unverständlich. Auch der Bundespräsident mischt sich in die Debatte ein - und erntet eine Schelte von der FPÖ.
Bundeskanzler Sebastian Kurz
Analyse

Wie sich Kurz für den Herbst rüstet

Einen Monat vor dem Parteitag setzt die ÖVP-Spitze auf Grenzschutz, Straßenbau und bürgerliche Eigenverantwortung in der Pandemie. Belasten die Botschaften die Zusammenarbeit mit den Grünen?
Ein Grüner im Grünen: Vizekanzler Werner Kogler im Garten des Restaurants Salonplafond im MAK, dem Museum für Angewandte Kunst, in Wien.
Interview

Werner Kogler: „Das ist eine alte, primitive Masche“

Warum Sebastian Kurz Werner Kogler derzeit an Fred Sinowatz erinnert. Und warum er bei Karl Nehammer neuerdings an Herbert Kickl denken muss. Der Vizekanzler im „Presse“-Sommergespräch.
Ein Koalitionsbruch wurde zum Regierungskrach.
Koalitionsbruch

Jeder hat seine Welt: Die Koalition von ORF bis S18

Ein Koalitionsbruch wurde zum Regierungskrach. Nun gibt man sich wieder versöhnt und plant für den Herbst.
Die Grüne Klubobfrau Sigrid Maurer hatte die vergangenen Tage wohl heftige Diskussionen mit ihrem ÖVP-Gegenüber August Wöginger.
Schlagabtausch

Ein Koalitionsbruch mit schmerzhaften Folgen

Eine ÖVP-Abgeordnete verschaffte einem rot-blauen Antrag für den Lobautunnel im Bundesrat eine Mehrheit. Die Grünen schäumten und forderten von der ÖVP im Nationalrat ihren Tribut. Die ÖVP-Länderchefs sind von der Bundespartei enttäuscht.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.