Lage in Tunesien beruhigt sich nach Ausschreitungen

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Die dominierende Islamistenpartei Ennahda will auf Protestaufrufe verzichten. Die EU ruft zu Wahrung der Demokratie auf.

Nach der Absetzung von Ministerpräsident Hichem Mechichi am Dienstag beruhigt sich die Lage in Tunesien. In der Hauptstadt Tunis waren das Parlamentsgebäude und wichtige Einrichtungen der Regierung weiterhin von Sicherheitskräften umstellt. Präsident Kais Saied ordnete zudem an, dass sämtliche Arbeit in öffentlichen Einrichtungen für zwei Tage ausgesetzt wird. Die größte Partei des Landes, die islamistische Ennahda, verzichtete zunächst auf Protestaufrufe.

Bis Ende August gilt wieder eine nächtliche Ausgangssperre. Diese gab es schon mehrfach, um eine Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern. Saied hatte den Regierungschef am Sonntagabend überraschend entlassen und die Arbeit des Parlaments ausgesetzt.

Die moderat islamistische Ennahda rief zum politischen Dialog auf und will zunächst auf Aufrufe zu Protesten verzichten. Die Parteiführung habe entschieden, jede Eskalation zu vermeiden und eine Periode der Ruhe anzuordnen, erklärten zwei Ennahda-Vertreter am Dienstagmorgen. Damit machte die Partei eine Kehrtwende, denn unmittelbar nach dem Rauswurf Mechichis hatte Parlamentspräsident und Ennhahda-Chef Rached Ghannouchi zu Straßenprotesten aufgerufen. Am Dienstag blieb der Vorplatz des Parlamentes leer. Dort war es am Montag zu schweren Zusammenstößen zwischen Anhängern Saieds und von Ennhahda gekommen.

Aufruf zu einem „gemeinschaftichen Weg“ aus der Krise

Zivilgesellschaftliche Gruppen riefen Saied am Dienstag auf, die außergewöhnlichen politischen Zustände nicht über Monatsfrist hinaus zu verlängern. Außerdem müsse Saied einen "gemeinschaftlichen Weg" für den Ausweg aus der Krise aufzeigen, hieß es in einer Stellungnahme der Gruppierungen, zu der Journalisten, Bürgerrechtler und Menschenrechtsaktivisten gehören. Saied selbst bekannte sich nach Gewerkschaftsangaben bei einer Rede am Montagabend zu demokratischen Werten.

Die EU forderte den tunesischen Präsidenten auf, die Blockade des Parlaments zu beendigen. Man rufe dazu auf, die institutionelle Stabilität so rasch wie möglich wieder herzustellen, teilte der EU-Auenbeauftragte Josep Borrell am Dienstag im Namen der 27 EU-Staaten mit. Dazu gehöre insbesondere die Wiederaufnahme des Parlamentsbetriebs. Die demokratische Verankerung des Landes sowie die Achtung der Rechtsstaatlichkeit, der Verfassung und des Rechtsrahmens müssten bewahrt werden.

Mechichi will Verantwortung an Nachfolger übergeben

Mechichi selbst erklärte, die Verantwortung - wie vom Präsidenten verfügt - an einen Nachfolger übergeben zu wollen. "Ich kann niemals ein Störfaktor oder Teil des Problems sein, der die Lage erschwert", versicherte er am späten Montagabend. Er werde die Verantwortung abgeben, um "die Sicherheit aller Tunesier zu wahren". Die Mitteilung war seine erste öffentliche Äußerung nach der Entmachtung.

Mechichi hatte den Posten als Ministerpräsident im September 2020 angetreten. Er hatte dabei den Rückhalt der beiden stärksten Parteien im Parlament, die islamisch-konservative Ennahda und "Kalb Tounes" (Herz Tunesiens). Die beiden Parteien liegen wie Mechichi mit Präsident Saied über Kreuz. Die Spannungen zwischen Saied und Mechichi hatten unter anderem zugenommen, nachdem der Präsident sich im Jänner weigerte, fast ein Dutzend neue Minister zu vereidigen.

(APA/dpa/Reuters)

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