Olympia 2021

Die siegreiche Rückkehr eines Judo-Flüchtlings

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Saeid Mollaei stand im Zentrum eines Polit-Sportkrimis. In Tokio, wo die Flucht des gebürtigen Iraners einst begann, ist dem Judoka nun zumindest ein sportliches Happy End geglückt.

Mit einem Kuss auf die Stirn hatte Saeid Mollaei den Österreicher Shamil Borchashvili nach dem Halbfinalkampf der beiden getröstet. Borchashvili holte noch die Bronzemedaille im Judo-Bewerb (Artikel oben), Mollaei zog ins Finale ein und verlor den Goldkampf denkbar knapp gegen Takanori Nagase (JPN). Nicht der ganz große Olympia-Triumph also für den 29-Jährigen, aber einer, der mit Blick auf seine Vergangenheit weit über eine Silbermedaille hinausgeht. Denn für Mollaei schloss sich in Tokio ein Kreis.

Hier hatte jener Polit-Sportkrimi seinen Anfang genommen, in dessen Zentrum Mollaei stand. Der Iraner war bei der WM 2019 in Tokio von Verantwortlichen seines Verbandes und Offiziellen des Regimes angewiesen worden, im Halbfinale gegen den Belgier Matthias Casse nicht anzutreten oder absichtlich zu verlieren – weil sich ein Finale gegen den Israeli Sagi Muki anbahnte. Der Iran verbietet seinen Sportlern seit Jahrzehnten, gegen Israelis anzutreten. Mollaei ging gegen den Belgier auf die Matte, verlor den Kampf völlig entnervt und auch das folgende Duell um WM-Bronze. Der Israeli Muki wurde Weltmeister. „Ich hatte große Angst. Ich konnte meine Gedanken nicht mehr kontrollieren und musste in diesem Zustand auf die Matte“, berichtete Mollaei.

Nach der WM setzte er sich nach Deutschland ab, wo er bis heute lebt, zwischenzeitlich kämpfte er für die Galaxy Tigers in Wien. Nach wie vor muss er Repressalien des iranischen Regimes fürchten, sein Umfeld wird von deutschen Behörden beobachtet, um ihn zu schützen. Um die Geschehnisse zu verarbeiten, stand er mit einem Psychologen in Kontakt.

„Nicht politisch“

International tritt der Weltranglistensechste unter mongolischer Flagge an. „Mein Traum ist, bei Olympia für die Mongolei zu starten und einen Medaille zu gewinnen“, hatte er einst erklärt.

Eines betont Mollaei stets: „Ich habe nie etwas Schlechtes über den Iran gesagt. Ich bin nicht politisch.“ Nur: „Der Iran akzeptiert offiziell die Olympische Charta, aber er respektiert sie nicht. Das ist die Wahrheit.“

Im Februar kämpfte Mollaei in Tel Aviv, es kam zum Wiedersehen mit Sagi Muki, dem Weltmeister von Tokio. „Willkommen, Bruder“, schrieb der Israeli bei Facebook unter ein Foto der beiden.

(joe)

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