Von Klimaschutz über das digitale Klassenzimmer bis zum „dritten Stich“ gegen das Coronavirus reichen die Themen, denen sich ÖVP und Grüne widmen wollen. Von Koalitionskrach wollen sie nichts hören.
Bei Sonnenschein - samt Gewitterwarnung - ist die türkis-grüne Regierungsmannschaft zu einem Sommerministerrat im niederösterreichischen Reichenau an der Rax zusammengekommen, um „die Schwerpunkte für die Herbstarbeit festzulegen“, wie Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Mittwoch sagte. Konkret hätten sich ÖVP und Grüne auf sieben Themen verständigt, die man „weitertragen und intensivieren“ wollte. Die dazugehörigen Schlagworte lauten:
- Bekämpfung des Coronavirus und seiner Mutanten,
- Ökosoziale Steuerreform,
- Wirtschaft, Standort und Arbeit,
- Digitalisierung der Schulen,
- Investitionen in den Klimaschutz,
- Pflege,
- Sicherheit und Kampf gegen illegale Migration.
Im Detail bedeutet das: „Die Pandemie wird uns auch im Herbst beschäftigen“, sagte Kurz. Derzeit gestalte sich die Lage in Österreich „wie erwartet“. Die Statistiken weisen eine Sieben-Tage-Inzidenz von rund 30 aus, die Zahl der in den Krankenhäusern behandelten Covid-19-Fällen liege bei lediglich 115. „Über 70 Prozent der Infektionen finden bei Menschen unter 35 Jahren statt, bei den Über-65-Jährigen sind es nur fünf Prozent“, zählte der Regierungschef auf. Das sei zum einen erfreulich, da ältere Personen bekanntlich einen eher schweren Verlauf hätten. Zum anderen zeigten die Daten, „dass die Impfung wirkt“. Tatsächlich seien bisher 67 Prozent der Bevölkerung „zumindest einmal geimpft“.
„Wer sich nicht impfen lässt, wird sich anstecken“
Mit dem Herbst werde die Frage aufkommen, wie es um den „notwendigen dritten Stich“ bestellt sei, meinte Kurz. Denn: Experten seien sich einig, dass es Auffrischungsimpfungen geben müsse, um weiter geschützt zu sein. Die Regierung werde dafür Sorge tragen, dass die Vakzine entsprechend verfügbar sein werden. Allerdings: Es sei auch jeder Einzelne gefordert, seinen Beitrag zu leisten: „Wir sind auf einem guten Weg, aber wir würden uns wünschen, dass sich noch mehr impfen lassen. Jeder, der sich nicht impfen lässt, wird sich früher oder später anstecken.“
Es werde „keine Impfpflicht in Österreich geben“, betonte Kurz. Aber: Wer sich nicht immunisieren lasse, „den können wir nicht auf Dauer vor dem Virus schützen“. Denn: „Das Virus wird nicht verschwinden.“
Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) appellierte seinerseits an alle, die noch nicht geimpft seien, das nachzuholen. „Impfen, impfen, impfen“, laute das Credo. Ein weiteres Gebot der Stunde seien Maßnahmen, um gegen den Klimawandel etwas ausrichten zu können: „Ich habe Opfer der Flut getroffen“, schilderte er, und „dramatische Auswirkungen“ gesehen. „Die Klimakrise findet nicht irgendwo am Nordpol oder in der Tundra statt, sondern mitten in Europa - eigentlich mitten in Österreich“, verwies er auf die immer häufiger auftretenden Unwetter und „Jahrhundertfluten“, die mittlerweile „alle drei Jahre“ aufzutreten scheinen.
Unstimmigkeiten? Welche Unstimmigkeiten?
Weniger detailreich äußerten sich Kanzler und Vizekanzler zu den übrigen Punkten auf ihrer Liste: Die wirtschaftliche Lage sei erfreulich - die Arbeitslosigkeit sinke, die Prognosen zeigten aufwärts -, weswegen bereits gesetzte Schritte wie die Investitionsprämie noch erhalten bleiben sollen, hieß es etwa.
In den Schulen soll die „größte Transformation“, mit der bereits begonnen worden sei, fortgesetzt werden, kündigte Kurz an. Konkret sollen die Klassenzimmer „digitalisiert“ werden, die Schüler mit mobilen Endgeräten ausgestattet werden. Die Details werde aber Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) zur gegebenen Zeit mitteilen. Schon jetzt: „Wir haben hier sehr viel Geld investiert, um die Digitalisierung des Klassenzimmers voranzutreiben“, die Resultate würden bald sichtbar, gab sich der Kanzler überzeugt.
Ähnlich gestalte sich die Situation in der Pflege: „Wir wollen die Pflege zu Hause besser unterstützen", meinte Kurz auch dafür werde Geld in die Hand genommen werden.
Angesprochen auf die Unfreundlichkeiten, die sich Vertreter der ÖVP und der Grüne seit einigen Tagen ausrichten (Kurz hatte der grünen Umweltministerin Leonore Gewessler ausgerichtet, dass er in Sachen Klimaschutz einen „Weg zurück in die Steinzeit“ ablehne, Kogler ihm daraufhin im „Presse"-Interview „altes Denken“ unterstellt), gaben sich Kurz wie Kogler fast überrascht: Er habe nichts Außergewöhnliches wahrgenommen, meinte der Kanzler. Er habe mittlerweile schon rund zehn Jahre Regierungserfahrung und könne daher sagen, die Zusammenarbeit in der aktuellen Koalition sei „gut und in weiten Teilen auch harmonisch“.
Kogler pflichtete bei, dass es „insgesamt“ gut funktioniere, man schaue in die gleiche Richtung: „Es ist eine gute Energie drinnen.“ Mitreden bei Lobautunnel & Co.: Können wir die Klimakrise ohne Verzicht bewältigen?