Olympia 2021

Simone Biles und der "Kampf gegen Dämonen"

APA/AFP/MARTIN BUREAU
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Die mentale Gesundheit der Athleten ist ein Topthema der Spiele. Simone Biles und Co. berichten schonungslos offen über ihr Seelenleben an der Spitze der Sportwelt.

Jahrzehntelang wurde Sportlern vor allem eines eingebläut: Zweifel und Dämonen abzuschütteln, sich zusammenzureißen und auf das Wesentliche zu fokussieren: Gewinnen.

2013 betrat die US-Amerikanerin Simone Biles die Bühne im Turnsport und seither war sie genau darin eine der Besten überhaupt. 19 WM-Titel und viermal Olympiagold zeugen davon.

Doch auf einmal war alles zu viel. In einem denkwürdigen Olympia-Finale in Tokio hat die 24-Jährige die „Last der Welt“ abgeworfen – und am Tag danach sogar ihren Start im Einzel-Mehrkampf abgesagt. Aus Selbstschutz zog sich Biles aus dem Mannschaft-Finale zurück und überließ ihren Teamkolleginnen die Bühne.

Mit der Silbermedaille um den Hals sprach Biles anschließend mit schonungsloser Offenheit über ihre psychischen Probleme und die Gründe ihrer Aufgabe. „Ich sage, die mentale Gesundheit steht an erster Stelle. Daher ist es manchmal in Ordnung, die großen Wettbewerbe sogar auszusitzen, um sich auf sich selbst zu konzentrieren. Es zeigt, wie stark du als Wettkämpfer und Person wirklich bist, anstatt sich einfach durchzukämpfen“, sagte der US-Superstar und sprach vom „Kampf gegen Dämonen“ vor dem Wettkampf.

Am Mittwoch zog sie die nächste Konsequenz und sagte ihren Start im Einzel-Mehrkampf am Donnerstag (12.50 Uhr Mesz) ab. Für das Finale hatte sich Biles trotz zahlreicher Schnitzer als Beste qualifiziert. „Simone wird weiterhin täglich bewertet, um herauszufinden, ob sie in den Einzel-Finali in der kommenden Woche teilnehmen kann“, schrieb der US-Turnverband USA Gymnastics. „Ihr Mut zeigt einmal mehr, warum sie ein Vorbild für so viele ist.“

Zuspruch aus dem Weißen Haus

In der Interviewzone zeigte Biles binnen weniger Minuten die gesamte Gefühlspalette. Mal kicherte sie, mal kamen ihr Tränen. Besonders emotional wurde sie, als sie über das Gefühl sprach, nicht mehr selbst über sich und ihren Sport bestimmen zu können. „Diese Olympischen Spiele wollte ich für mich haben und ich kam hierher und dachte, dass ich es weiter für andere Leute mache. Das schmerzt sehr. Das zu tun, was ich liebe, ist mir irgendwie genommen worden, um anderen Menschen zu gefallen.“

Für ihre Offenheit erntete Biles eine Welle der Anerkennung bis hin zum Weißen Haus. „Dankbarkeit und Unterstützung sind das, was Simone Biles verdient“, twitterte Sprecherin Jen Psaki. IOC-Sprecher Mark Adams erklärte: „Abseits von allem anderen, haben wir Riesenrespekt vor ihr.“

Auch Sportler reagierten mit Hochachtung. Spaniens Basketball-Star Pau Gasol, der sich zur Wahl als Athletensprecher im IOC stellt, sicherte Biles seine Unterstützung zu. „Mentale Gesundheit ist ein wichtiger Bestandteil unserer Gesundheit und muss immer Priorität haben. Wir brauchen eine Sportwelt, die das emotionale und mentale Wohlbefinden in den Fokus rückt“, erklärte der ehemalige NBA-Champion.

Turn-Star Biles ist nicht die einzige Sportlerin, die gegen mentale Probleme kämpft und dies öffentlich gemacht hat. Tennis-Star Naomi Osaka hatte heuer längere Depressionsphasen öffentlich gemacht.

Rekord-Schwimmer Michael Phelps hatte schon vor geraumer Zeit offen über seine Suizidgedanken gesprochen, mittlerweile ist er TV-Experte und erklärte, Biles' Kampf zu sehen, habe ihm das Herz gebrochen.

US-Sprinterin Sha'Carri Richardson erzählte von ihren Problemen in der Olympiavorbereitung, als sie Marihuana konsumierte um den Tod ihrer Mutter zu überwinden (wofür sie letztlich gesperrt wurde).

Rad-Star Tom Dumoulin nahm erst kürzlich wegen mentaler Probleme eine Auszeit vom Radsport. Erst im Mai stieg der niederländische Giro-Sieger wieder ins Training ein, am Mittwoch gewann er in Tokio die Silbermedaille im Einzelzeitfahren.

Das IOC wies noch einmal darauf hin, dass es während der Spiele die „Mentally Fit Helpline“ gebe, die Teilnehmer vertraulich in Anspruch nehmen können.

(joe)

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