Mercedes EQS: elektrischer Dauerläufer mit Heckantrieb oder Allrad.
Elektrischer Luxus

Mercedes EQS: Jäger der verlorenen Reichweite

Wenn Reichweite im Elektroauto der wahre Luxus ist, dann spricht Daimler mit dem EQS das überfällige Machtwort: Bis zu 780 Kilometer am Stück sind möglich. An Luxus mangelt es freilich auch sonst nicht.

Dass der EQS landläufig als „elektrische S-Klasse“ die Runde machen wird, ist ebenso naheliegend wie unzutreffend. Jedenfalls ist es Daimler ein Anliegen, darauf hinzuweisen: Das Fahrzeug stehe auf einer völlig eigenständigen Plattform, „purpose built“, wie es heißt, und dieser Zweck ist eben das Elektrische, mit dem Mercedes in die Zukunft zieht. Dass diesbezüglich die Weichen gestellt sind, hat Daimler-Boss Ola Källenius vergangene Woche in einem Referat zur Strategie nachgeschärft: Aus „electro first“ wird „electro only“, ab 2025 werden nur noch elektrische Plattformen entwickelt.

Ungewöhnlich: Die Fronthaube des EQS lässt sich nicht öffnen. Darunter versieht ein HEPA-Filter zur Luftreinigung Dienst. Das Wischwasch-Wasser wird seitlich eingefüllt.
Ungewöhnlich: Die Fronthaube des EQS lässt sich nicht öffnen. Darunter versieht ein HEPA-Filter zur Luftreinigung Dienst. Das Wischwasch-Wasser wird seitlich eingefüllt.(c) Daimler AG (Mercedes-Benz AG - Global Commun)


Das S im Namen verweist dennoch, wo der Neue hingehört: an die Spitze des Portfolios, wo bislang die S-Klasse residierte. Es wird wohl nicht lang dauern, bis der EQS seinen Rang als neues Flaggschiff in staatstragenden Fuhrparks kundtut. Wer an V8-Entzug leiden sollte, wird mit einer die Nackenmuskel strapazierenden AMG-Variante und entsprechenden Performance-Werten kuriert.

Fürstliche Größe

An Durchzug mangelt es erwartungsgemäß auch den beiden sozusagen zivilen Varianten nicht, dem EQS 450+ mit Hinterradantrieb und dem 580 mit zusätzlich einem E-Motor an der Vorderachse. Mit 6,2 respektive 4,2 Sekunden von null auf hundert sind eindrucksvolle Werte geliefert, zumal es kein kleines oder leichtes Auto ist, das da nach vorn gewuchtet wird. Mit über 5,2 Metern in der Länge und fürstlichen 3,21 Metern Radstand bleibt der EQS nur knapp unter den Maßen des S-Klasse in Langversion. Stattlich natürlich auch das Gewicht, das allerdings – auch das typisch Elektro – günstig angeordnet ist: Das als Unterboden fungierende Batteriepaket, das am Fahrzeug den größten Gewichtsanteil ausmacht, liegt deutlich unter der Radnabe, woraus sich ein vorteilhaft tief liegender Schwerpunkt ergibt.

Dass E-Motoren im Vergleich zum Verbrenner ein fades Einerlei darstellen, können wir nicht bestätigen. Das betrifft die Charakteristik der Leistungsentfaltung ebenso wie die technische Ausführung. An der Hinterachse hat Daimler zwei E-Motoren in einen gepackt, mit sechs Phasen und zwei Wicklungen im Stator, „um die hohen Ströme durchzukriegen“, wie uns ein Ingenieur verrät. Zudem ist der Stator flüssigkeitsgekühlt, die Versorgung erfolgt über eine Wasserlanze im Rotor. Dadurch realisiert man besonders lang abrufbare Spitzenleistungen, „locker 30 Sekunden“. Problemlos hätte man auch mehr Kilowatt herausgeholt, dies aber zugunsten eines schnell erreichten, besonders hohen Drehmomentplateaus unterlassen. Und darin liegt der Schlüssel zur feinen Fahrbarkeit, zum feisten Schub, der in jeder Lebenslage freudig zur Entfaltung bereitsteht.

Der wahre Luxus heißt beim Elektroauto freilich Reichweite. Mit 780 km nach WLTP wäre das überfällige Machtwort gesprochen, der Wert gilt für die Variante 450. Erzielt wird er nicht allein durch die Größe des Akkus, der freilich schon stattlich ist, sondern auch durch auffallend geringen Verbrauch und das Feilen an allem anderen, vor allem Gewicht und Aerodynamik. Auf ausgiebigen ersten Testfahrten rangierten wir zwischen knapp 15 und knapp 19 kWh pro 100 km, sensationelle Werte mithin, die im Schweizerischen (maximal 120 km/h) leichter erzielbar sein mögen als anderswo. Man wird sehen, wie sich derlei Werte vom strömungsgünstigen Format der Limousine auf kommende SUV-Derivate übertragen lassen. Auf der skalierbaren Plattform des EQS ist in Bälde mit der quasi E-Klasse plus zweier SUV-Modelle in E- und S-Größe zu rechnen.

Hyperscreen: durchgehender Glaskörper mit drei Bildschirmen, misst 1,41 Meter in der Breite.
Hyperscreen: durchgehender Glaskörper mit drei Bildschirmen, misst 1,41 Meter in der Breite.(c) Daimler AG (Mercedes-Benz AG - Global Commun)


Der EQS ist aber das erste Elektroauto dieses Zuschnitts: prall gefüllt mit Komfort und Luxus. Pfauenrad des Interieurs ist der Hyperscreen, der sich mit 1,41 Meter Breite über den gesamten Armaturenträger von Fahrer bis Beifahrer erstreckt. Da gibt es mehr zu schauen, zu wipen und zu scrollen, als man selbst auf langen Fahrten unterbringt.

In dem Aufwasch hätte man auch gleich das irritierende Steuerungsprinzip der schlecht ablesbaren Lenkradtasten neu aufsetzen können – wenn man schon beim Abschneiden alter Zöpfe ist.

Mercedes EQS 450+

Maße

L/B/H 5216/1926/1512 mm. Radstand 3210 mm. Leergewicht 2480 kg. Kofferraum 610–1770 Liter.

Antrieb

E-Motor Typ PSM, Leistung max. 245 kW, Drehmoment max. 568 Nm. Batterie 107 kWh netto. DC-Ladeleistung max. 200 kW. DC-Ladezeit (10–80 Prozent) 31 min. AC-Ladezeit (11 kW) 5h. 0–100 km/h in 6,2 sec. Vmax 210 km/h. Hinterradantrieb.

Preis

tba; „auf S-Klasse-Niveau“

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