Nachruf

Freches Über-Ich im Popradio: Martin Blumenau ist tot

Martin Blumenau (1960-2021).
Martin Blumenau (1960-2021).(c) ORF/Ingo Pertramer
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Moderator Martin Blumenau ist 60-jährig gestorben. Ohne ihn wäre FM4 nicht, wie es ist.

Unfassbar, dieser Tod. Wann immer man über Martin Blumenau sprach in den letzten Jahren, fielen Sätze wie: Der sieht noch immer jung aus. Der ist wirklich jung geblieben. Worauf gewiss ein anderer ergänzte: Jung und frech. „Forever Young“ würde man schreiben, wüsste man nicht, dass er das als Kitsch abgetan hätte. Obwohl: Bekennender Bob-Dylan-Fan war er ja und Neil-Young-Fan auch, Blumenau konnte diese Pole versöhnen.

Dabei war er eigentlich ganz und gar nicht versöhnlich. Er liebte den Widerspruch, die Provokation, den Streit. Auch mit jungen Leuten. Ein mildes „Lasst die Jugend doch“ war nicht seine Sache. Er ließ keine Phrasen gelten, keine Spaßkultur-Mätzchen: „Think more, party less!“, sagte er und schimpfte. So galt es bei jungen FM4-Hörern als Mutprobe, bei seinem Talkradio „Bonustrack“ anzurufen. Wer aus der Leitung geworfen wurde, hatte es geschafft. Wer nicht, der auch: Er hatte sich an Martin Blumenau gemessen.

Dass FM4 nicht nur ein Pop- und Jugendradio ist, sondern auch ein Ort, wo Popkultur (und mit ihr die ganze Welt) gnadenlos debattiert werden kann, mehr noch: wo man gnadenlos debattieren muss, dazu hat Martin Blumenau sehr viel beigetragen. Er war 1995 konzipierendes Gründungsmitglied des Senders, davor war bei er in dessen beiden Keimzellen aktiv gewesen: den legendären Ö3-Sendungen „Musicbox“ und „Zickzack“. Das war in den wilden Jahren, als unter den Popjournalisten Wiens stets mindestens zwei einander nicht grüßten, Martin Blumenau war meistens einer davon. Am Ende konnte man ihm freilich doch nicht bös sein: Er wollte nicht nur recht haben, es lag ihm auch etwas an den Thesen, die er vertrat. Er konnte, nur zum Beispiel, mit Verve predigen, dass das zweite Album der Fehlfarben ihr bestes sei, was natürlich nicht stimmt. Doch dann legte er „Die wilde Dreizehn“ aus diesem Album auf, mit den großen Zeilen: „Ich will was haben, bevor's zu spät ist; ich will was tun, was nicht in der Zeitung steht“ . . . Und man gab ihm doch recht. Leidenschaft regiert, okay. Und wenn er Unsinn sagte, etwa dass Bob Dylans Feuer längst erloschen sei, verzieh man ihm, weil er es so feurig sagte. Oder weil er so frech grinste dabei.

Er wusste alle Fußballresultate

Eine zweite Leidenschaft Blumenaus galt dem Fußball, wo er dasselbe Detailwissen und dieselbe Urteilsschärfe pflegte wie im Pop. Und wie in diesem dachte er stets die gesellschaftlichen Aspekte mit, mit scharfem Sarkasmus, wenn er's für notwendig hielt. Dabei tat er gern, als ob die Form ihm egal wäre: Er lief im Studio umher, schniefte und räusperte sich, sprach partout nicht ins Mikrofon. Natürlich war das nur Spiel mit der Formlosigkeit: Menschen, die mit Martin Blumenau gearbeitet haben, bestätigen, wie ernsthaft und genau er war, wenn ihm etwas wichtig war.

Wie gesagt, man hatte nicht das Gefühl, dass Martin Blumenau altert, auch nicht in den letzten Jahren, als er sich als Familienvater entdeckte. Doch nun hat ihn ein verdammter Krebs getötet. Seine Schärfe und Leidenschaft werden fehlen.

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