Ungarn: 38 chemische Elemente im Giftschlamm

Giftschlamm chemische Elemente entdeckt
Giftschlamm chemische Elemente entdeckt(c) EPA (BALAZS MOHAI)
  • Drucken

Die Giftschlamm-Katastrophe wird messbar: Greenpeace veröffentlicht die erste Untersuchung und kommt damit den Behörden zuvor. Fünf der gemessenen Stoffe sind für Menschen und Umwelt besonders gefährlich.

Der Giftschlamm aus dem geborstenen Becken einer Aluminiumfabrik im westungarischen Komitat Veszprem enthält insgesamt 38 chemische Elemente. Das hat eine Untersuchung der Umweltschutzorganisation Greenpeace ergeben. Fünf der Elemente - nämlich Arsen, Quecksilber, Cadmium, Antimon und Nickel - sind für Menschen, Tiere und Umwelt besonders gefährlich (Details zu den Stoffen weiter unten).

Abermals übte die Umweltschutzorganisation Kritik an den ungarischen Behörden, die "bis dato keinerlei Analyseergebnisse veröffentlicht haben, weder vom Rotschlamm noch vom Flusswasser oder den Böden. Auch für das Grundwasser liegen keine Analyseergebnisse vor, von der Feinstaubbelastung ganz zu schweigen", so Schuster.

Aluminiumwerk wird verstaatlicht

In der Zwischenzeit wurde das Aluminiumwerk, in dem sich am vergangenen Montag der Chemie-Unfall ereignet hatte, unter Zwangsverwaltung gestellt. Ministerpräsident Viktor Orban setzte den Kommandanten des ungarischen Katastrophenschutzes, György Bakonyi, als Regierungskommissar an die Spitze des Aluminiumwerks. Die MAL AG soll verstaatlicht werden.

MAL kündigte an, "im Verhältnis zu seiner Verantwortung" Schadenersatz zu leisten. Die Höhe des Sachschadens sei jedoch noch nicht absehbar. Der ungarische Umweltstaatssekretär Zoltan Illes sagte, allein an Geldstrafen für Schäden an Wasserwegen und Umwelt hätten sich bereits 19,2 Milliarden Forint (70 Millionen Euro) angehäuft.

Behelfsdamm fast fertig

Acht Tage nach der tödlichen Giftschlamm-Lawine haben Helfer einen 600 Meter langen Behelfsdamm fast fertiggestellt. Das Bauwerk könne das Dorf Kolontar zwar schützen, müsse aber noch mit Steinen verstärkt werden, sagte ein Behördensprecher vor Ort.

Kolontar wurde von der Schlammlawine am stärksten getroffen. Aus Angst vor einer zweiten Flutwelle wurde schließlich der Damm gebaut.

Hohe Feinstaubbelastung, aber keine Gefahr für Österreich

In den Nachmittagsstunden die nächste schlechte Nachricht für die verseuchten Dörfer: Laut Greenpeace ist die Feinstaubbelastung in Devecser und Umgebung um bis zu sechsmal höher als erlaubt.

Erste Messungen mit mobilen Geräten ergaben Werte zwischen 60 und 300 Mikrogramm pro Kubikmeter. Der Grenzwert liegt bei 50 Mikrogramm pro Kubikmeter und darf nur an 35 Tagen im Jahr überschritten werden.

Gefahr für Österreich besteht nicht: "Es herrscht weiterhin stabile Hochdrucklage mit nur sehr schwachen Winden", meldete die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) am Dienstag. Bestandteile des giftigen Rotschlamms gelangen demnach derzeit nicht in die Luftströmung: "Die schädlichen Inhaltsstoffe des Schlammes sind derzeit gebunden, das heißt, diese können nicht mit der Luftströmung verfrachtet werden."

Die im Schlamm nachgewiesenen Stoffe im Detail:

Es ist eine beeindruckende Liste an Stoffen, die im menschlichen Körper oder in Flüssen wenig bis gar nichts zu suchen haben:

  • Eisen (220.000 Mikrogramm pro Kilo)
  • Silizium (98.000 mg/kg)
  • Aluminium (72.000 mg/kg)
  • Kalzium (67.000 mg/kg)
  • Natrium (41.000 mg/kg).

Von der Menge her zwar gering, dafür umso giftiger sind folgende Bestandteile:

  • Quecksilber (1,3 mg/kg)
  • Cadmium (7 mg/kg)
  • Nickel (270 mg/kg)
  • Antimon (40 mg/kg)
  • Arsen (130 mg/kg).

Arsen und Antimon besonders gefährlich

Arsen macht den Umweltschützern in der vorgefundenen Konzentration besonders große Sorgen. Aber auch Antimon ist alles andere als harmlos: Es wurde in einer Menge von 40 mg/kg gefunden und liegt damit beim Dreifachen der für Böden zulässigen Belastung. Das Element wird als "möglicherweise krebserregend" eingestuft.

Das bekannte Allergen Nickel wurde in einer Menge von 270 mg/kg nachgewiesen und liegt damit über dem Bodengrenzwert. Die Konzentration von Cadmium liegt zwar unter den Bodengrenzwerten, stellt laut Greenpeace jedoch "für die ohnehin schon Cadmiumbelasteten Böden, etwa durch Kunstdünger, ein Problem dar". Cadmium kann gut von Pflanzen aufgenommen werden und gilt unter anderem als fortpflanzungsgefährdend und nervenschädigend.

Greenpeace liegt nun auch eine spezifische Chromanalyse vor. Der Rotschlamm enthält nur 0,46 mg/kg an hochgiftigem sechswertigem Chrom (Cr-VI), der größte Anteil an Chrom liegt in Form des relativ harmlosen dreiwertigen Chroms (Cr-III) vor.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

bdquoWo schlaefst Ferildquo ndash
Weltjournal

Ungarn: Die tägliche Herbergsuche der Schlammflut-Opfer

Aus der Alu-Fabrik in Kolontár floss viel mehr Giftschlamm aus als befürchtet. Die Bürger fühlen sich im Stich gelassen. Vielen Betroffenen ist kaum etwas von ihrer Habe geblieben. Sie retten, was zu retten ist.
Giftschlamm Feinstaubgefahr groesser angenommen
Weltjournal

Giftschlamm: Feinstaubgefahr größer als angenommen

Die Bewohner kehren nach der Schlammkatastrophe wieder in das Unglücksdorf Kolontar zurück. Laut Greenpeace stellt der Rotschlamm eine enorme Gesundheitsgefahr für die Einwohner dar.
Weltjournal

Ungarn: Keine Zukunft nach der roten Sintflut

Mit einem neuen Schutzwall hofft der ungarische Katastrophenschutz die Gefahr einer zweiten Giftschlamm-Überflutung zu bannen. Bei den Anwohnern der leck geschlagenen Auffangbecken macht sich Mutlosigkeit breit.
Weltjournal

Chef der "Katastrophenfirma" verhaftet

Der Generaldirektor Zoltán Bakonyi sitzt in Untersuchungshaft, während das von ihm geleitete „Schlammkatastrophenunternehmen" MAL per Gesetz quasi verstaatlicht wurde. Selbst die Opposition applaudierte.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.