Thomas Zehetmair

Ganz allein: Hier ergibt Bachs Schreibfehler Sinn

Thomas Zehetmair
Thomas Zehetmair(c) imago/Michel Neumeister (Michel Neumeister)
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Standing Ovations für Geiger Thomas Zehetmair und Bachs Sonaten und Partiten in Salzburg.

„Sechs Solostücke für Violine ohne Generalbass“, so lautet die nüchterne Überschrift ins Deutsche übersetzt. Aber hat Johann Sebastian Bach im italienischen Original nicht einen Grammatikfehler gemacht, sich verschrieben, ausgerechnet auf dem Titelblatt eines fein säuberlich erstellten Autografs? „Sei Solo“ steht da nämlich, statt des Plurals „Soli“.

Doch an einen Lapsus Linguae will man nicht recht glauben beim Allvater der abendländischen Musik, diesem Meister nicht nur in der Verbindung von komplexer Polyphonie mit „moderner“ Emotion, sondern auch der Noten- und Zahlensymbolik, des Wortspiels und anderer versteckter Botschaften. „Sei Solo“ heißt ja auch: „Du bist allein“ – und plötzlich lässt sich der augenzwinkernde Hinweis an den Geiger herauslesen, dass er auf keine fremde Hilfe zählen kann bei diesen je drei Sonaten und Partiten, die zusammen nicht nur einen besonderen Prüfstein im Violinrepertoire darstellen, sondern auch einen Gipfel der Musik überhaupt.

Thomas Zehetmair hat ihn nun an einem Abend im Mozarteum erklommen, fünf Jahre nach der ersten solchen Gesamtaufführung bei den Festspielen durch Isabelle Faust, und als würdige Eröffnung des Zyklus „Himmelwärts – Zeit mit Bach“. Mit zwei freundlichen Pausen waren das drei Stunden 15 Minuten Bach für Violine solo – und sie verflogen im Nu. Zehetmairs Ton hat nichts allzu Poliertes oder gar Überzuckertes an sich, Süße und Schärfe schreiten ebenso in einem stets neu justierten Verhältnis einher wie der Ausgleich zwischen Kantilenen, akzentuierenden Doppelgriffen und polyphonen Vertracktheiten.

Dabei ist er durchaus auch ein fesselnder Erzähler. Wie er sich in den Fugen in einen regelrechten Furor hineinspielt oder die erhabene, große d-Moll-Ciaccona durchmisst und ihre Wunder zu einem geradezu zerbrechlich tönenden Ende führt, macht Bachs Zeitlosigkeit sinnlich erfahrbar. Dass er die d-Moll-Partita mit diesem monumentalen Abschluss nicht etwa ans Ende stellt wie damals Faust, sondern Bachs originale Reihung beibehält, macht die E-Dur-Partita zum strahlenden Finale: glockenhell, federnd und mit lächelnd erreichtem Schluss.

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