Culture Clash

Aufgeregt statt aufgeklärt

Figuren von Mann Frau und Kind und Kondom in einem Heft Symbolfoto Sexualkundeunterricht
Figuren von Mann Frau und Kind und Kondom in einem Heft Symbolfoto Sexualkundeunterricht(c) imago/Christian Ohde (imago stock&people)
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Ein Fall in einer Wiener Volksschule zeigt, wie kontraproduktiv eine Schule der Sexualaufklärung ist, die verstört, wo sie doch helfen sollte.

Die „Kronen Zeitung“ berichtet über die Verstörung von Kindern in Wien, denen in ihrer Volksschule anhand einer Frauenpuppe der Geschlechtsverkehr nahegebracht wurde. Kinder, denen das peinlich war, mussten trotzdem zuschauen. Eltern berichten von Verhaltensauffälligkeiten in der Folge. Der Präsident des Verbandes für Psychotherapie verurteilt die Lehrmethoden, die Gemeinde untersucht.

Es ist aber gar nicht selten, dass Kinder zu früh, zu ausgreifend und unter Missachtung ihrer Intimsphäre auf sexuelle Inhalte gestoßen werden. Das liegt daran, dass sich eine bedenkliche Strömung als Quasi-Standard der Sexualaufklärung etabliert hat; eine Schule, die sich aus den Lehren Wilhelm Reichs speist und über die „emanzipatorische Schule“ des pädophilen Täters Helmut Kentlers zur „neo-emanzipatorischen Schule“ und der „Sexualpädagogik der Vielfalt“ geführt hat und durch Übervater Kentler pädophil kontaminiert ist.

Den heutigen Akteuren sind keine unlauteren Motive zu unterstellen. Dennoch gibt es einen roten Faden seit den 70er-Jahren, als Kentler ein großes Tier war in einer Gesellschaft, die im Überschwang des sexuellen Befreiungsschlags auch den Sex mit Kindern „befreien“ wollte. Zu diesem roten Faden gehören die Ideen: Das, was einen beim Sex schaden kann, ist vor allem die eigene Verklemmtheit. Und schon Kinder brauchen die Intervention von Erwachsenen, um der Verklemmung zu entgehen und so ihr sexuelles Potenzial voll zu entfalten.

Es gibt zwar keinen empirischen Nachweis, dass Menschen ein erfüllenderes Sexualleben haben, wenn sie schon lang vor der Pubertät mit Dingen konfrontiert werden, die sie noch gar nicht interessieren und die ihnen – schon gar vor der Klasse – peinlich sind. Aber es fühlt sich modern an, über alles zu reden und keine Tabus zu haben. Dass dabei das Schamgefühl – die Schutzhaut des Ichs – verletzt wird, wird in Kauf genommen.

Es ist fraglos gut, Kinder aufzuklären, damit sie sich ihres Selbstwerts bewusst werden und später ihre Sexualität autonom und positiv in ihr Sein integrieren können. Aber doch nicht, indem man zu früh zu massiv und in angeblicher Wertfreiheit in ihr Intimleben eindringt. Weiten Kreisen der Fachwelt ist das auch selbstverständlich. Aber die invasive Schule ist in Universitäten, Ministerien und Bildungsdirektionen stark verankert und vernetzt. Das aufzubrechen, wäre eine vordringliche Aufgabe der Bildungspolitik. Eltern hätten dabei eine Schlüsselrolle. Und nein: Das wäre nicht Prüderie und Sexualfeindlichkeit. Sondern Verantwortungsbewusstsein.


Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com
www.diepresse.com/cultureclash

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2021)

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