Leitartikel

Warum macht in diesem Land niemand ehrliche Klimapolitik?

Stolpert Europa zu naiv in die Energiewende hinein?
Stolpert Europa zu naiv in die Energiewende hinein?(c) imago images/Cavan Images (Cavan Images via www.imago-images.de)
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Weder Kritiker noch Enthusiasten der Energiewende schenken den Menschen reinen Wein ein. Was unpopulär ist, wird verschwiegen – das wird sich rächen.

Wer dieser Tage nicht zufällig gerade in Spanien auf Urlaub weilt, hat vermutlich gar nichts davon bemerkt: Doch am Samstag vor einer Woche schrammte das europäische Stromnetz wieder einmal an einer Katastrophe vorbei. Aufgrund defekter Hochspannungsleitungen musste die Iberische Halbinsel vom Rest des europäischen Stromnetzes getrennt werden. Über eine Million Menschen saßen ohne Strom da, um den großen Blackout zu verhindern. Die Reaktion der Netzbetreiber war rasch und richtig. Nach einer Stunde hatten sie die Lage unter Kontrolle. Dennoch war der heikle Riss durch Europas Stromnetz ein Schuss vor den Bug – der zweite in diesem Jahr.

Ist die Häufung großer Störfälle ein Vorbote für das, was uns blüht, wenn bald zigtausend wetterabhängige Wind- und Solarkraftwerke auf dem Kontinent zugebaut werden? Stolpert Europa zu naiv in die Energiewende hinein, steigt das Risiko von Blackouts, warnt immerhin die deutsche Akademie der Wissenschaften.

Doch Warnsignale sind im Moment nicht en vogue. Warum sonst kommt ein flächendeckender Stromausfall wie in Spanien kaum in der Öffentlichkeit vor? Den Enthusiasten der Energiewende passt er einfach nicht ins Bild. Der Umstieg auf grüne Energie soll Spaß machen, Sorgen stören nur. Und viele Kritiker sind in der Defensive. Sebastian Kurz musste für seinen missglückten Ausflug in die Klimapolitik viel Schelte einstecken. Die Klimakrise bewältigen wir auch, ohne unser Leben zu verändern, stellte er in den Raum und erntete für diese Fehleinschätzung zu Recht Kritik von Forschern, die mehr Ehrlichkeit vom Kanzler einforderten.

Aber Ehrlichkeit ist in der Klimapolitik ein rares Gut. Und zwar auf allen Seiten. Wo ist der Aufschrei darüber, was die Tempomacher im Wettlauf gegen den Klimawandel so gern unter den Tisch fallen lassen? Etwa die simple Erkenntnis, dass alle Maßnahmen, die wir Europäer setzen, nur marginale Wirkung auf das Weltklima haben werden. Europa ist für acht, Österreich für 0,2 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich.
Natürlich soll und darf sich Europa als Pionier der Klimakämpfer positionieren. Wenn auch der Planet etwas davon haben soll, müsste Brüssel aber mehr Energie aufbringen, um einen CO2--Preis mit China, USA und Indien auszuhandeln.

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